Allgemeines
 
 
Hordelymo-Fagetum

 Frühjahrsaspekt im Haargersten-Buchenwald mit Gelbem und Busch-Windröschen (Anemone ranunculoides und A. nemorosa).

Der Haargersten-Buchenwald steht in seinen Ansprüchen zwischen dem Waldmeister- Buchenwald (Galio-Fagetum) und dem Orchideen-Buchenwald (Carici-Fagetum). Der Boden ist basischer als beim Waldmeister-Buchenwald. Meistens besteht der Untergrund aus Kalkgestein. Dadurch erwärmt sich der Boden besonders im Frühjahr relativ schnell. Die Humusschicht ist als Mull ausgeprägt, d.h. gute Durchlüftung und hohe biologische Aktivität kennzeichen die Böden, so dass man im Haargersten-Buchenwald in der Krautschicht besonders viele Frühjahrsblüher findet, die nicht selten spektakuläre Blühaspekte bilden. Nur an ausgesprochen mikroklimatisch begünstigten Standorten wird der Haargersten-Buchenwald vom Orchideen-Buchenwald abgelöst.
 
Näheres zur Problematik der Abgrenzung der Buchenwald-Gesellschaften ist beim Waldmeister-Buchenwald ausgeführt.
 

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Charakterarten
 
 
Hordelymus europaeus Buchenwälder sind durch die Dominanz der Rotbuche (Fagus sylvatica) definiert. Dabei sind die verschiedenen Buchenwälder eher negativ zu charakterisieren, d.h. es ist wichtiger, welche Arten nicht vorkommen. Trotzdem gibt es zwei Arten, die zumindest in Westdeutschland als Charakterarten des Haargersten-Buchenwalds gelten können.
 
 
 
 
 

Die eine davon ist die namengebende Wald-Haargerste (Hordelymus europaeus) (links). 
 
 
 
 
 

Die zweite Assoziationscharakterart ist das Ähren-Christophskraut (Actaea spicata) (unten). Es bevorzugt  nordexponierte, luftfeuchte Hänge. Es ist übrigens das einzige Hahnenfußgewächs mit Beerenfrüchten.


 
Actaea spicata

 
Mercurialis perennis
Die folgenden Arten kommen in verschiedenen Laubwaldtypen vor, weshalb sie allgemein als Ordnungs- oder Klassencharakterarten gelten. Sie bevorzugen aber alle basenreiche, frische Mullböden, weshalb sie im Rahmen des Verbands der Buchenwälder (Fagion) als Assoziationsdifferentialarten des Haargersten-Buchenwalds gelten können.
 
 

Mit seinen grünlichen Blüten nicht besonders auffällig, aber besonders typisch ist das Ausdauernde Bingelkraut (Mercurialis perennis). Links ist ein männliches Exemplar abgebildet. 

 
Daphne mezereum
 
Oben: Noch früher als das Bingelkraut blüht der Gewöhnliche Seidelbast (Daphne mezereum). Die rosa-purpurnen Blüten gehen schon knapp vor dem Laubaustrieb auf. Im Sommer tragen die Sträucher leuchtendrote, giftige (!) Beeren.
 

Rechts: Im Gegensatz zur Echten Wald-Trespe (Bromus racemosus), die eigentlich eher eine Pflanze der Schläge und Waldverlichtungen ist, ist Benekens Wald-Trespe (Bromus benekenii) eine echte Waldpflanze, die außer im Haargersten-Buchenwald auch in Linden-Ahorn-Wäldern (Verband Tilio-Acerion) und Eichen-Hainbuchen-Wäldern (V. Carpinion) vorkommt. In der Literatur wird sie häufig noch als Unterart Bromus ramosus ssp. benekenii zur Wald-Trespe gestellt.
 

Unten: Sehr früh im Jahr erscheint das Dunkle Lungenkraut (Pulmonaria obscura). Vom sehr ähnlichen Echten Lungenkraut (P. officinalis) unterscheidet es sich u.a. durch die nicht oder kaum gefleckten Blätter und den etwas schmächtigeren Wuchs. Westlich des Rheins kommt das Echte Lungenkraut ohnehin nur als Kulturpflanze vor, die aus alten Bauern- oder Klostergärten verwildert ist.

Bromus benekenii

Pulmonaria obscura

 
Sanicula europaea
    Der Sanikel (Sanicula europaea) gehört zu  einer Unterfamilie der Doldenblütler, die in Mitteleuropa nur wenige Vertreter besitzt. Ausgerechnet der Sanikel hat dieser Unterfamilie Saniculoideae den Namen gegeben. Deshalb sind die Blüten auch nicht in den sonst üblichen Dolden sondern in köpfchenartigen Blütenständen angeordnet und die Blätter würde man eher bei einem Hahnenfußgewächs als einem Doldenblütler vermuten.
 
 
Die Finger-Segge (Carex digitata) ist etwas wärmeliebend. Dass sie manchmal auch als Charakterart des Orchideen-Buchenwalds (Carici-Fagetum) angegeben wird, beruht wohl auf einem Missverständnis. Das Carici-Fagetum heißt nicht nach der Finger-Segge so sondern nach der Weißen Segge (Carex alba), die in Westdeutschland gar nicht vorkommt. Allerdings kann die Finger-Segge sehr wohl auch im Orchideen-Buchenwald zu finden sein, denn die Buchenwälder sind kaum positiv durch eigene Charakterarten als vielmehr negativ durch das Fehlen anspruchsvollerer Arten gekennzeichnet. Deshalb können alle hier aufgeführte Arten auch im Orchideen-Buchenwald vorkommen.
Carex digitata
 
Ribes alpinum
Zu den überregional verbreiteten Differentialarten treten geografische Differentialarten hinzu. In der Eifel sind dies die Schwarze Teufelskralle (Phyteuma nigrum), die primär für Eichen-Hainbuchenwälder typisch ist und sekundär auch auf extensiven Wiesen vorkommt, und die Alpen-Johannisbeere (Ribes alpinum) (links), die primär typisch für Linden-Ahorn-Wälder ist.
 

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Vorkommen
 

Das Hordelymo-Fagetum ist in den Kalkzügen der Mittelgebirge verbreitet. Gelegentlich bieten vulkanische Böden passende Bedingungen. Am Kermeter im Nationalpark Eifel gibt es sogar eine Stelle, wo der Haargersten-Buchenwald auf Grauwacke mit geringem Kalkgehalt stockt. In der hier dargestellten Abgrenzung umfasst das Hordelymo-Fagetum auch Bestände, die in der älteren Literatur Teilen des Waldmeister-Buchenwalds (Galio-Fagetum) und des Perlgras-Buchenwalds (Melico-Fagetum) zugeordnet wurden. Der Waldmeister-Buchenwald wird heute sehr viel enger definiert (Näheres hier), der Perlgras-Buchenwald ist als Assoziation ganz fallengelassen worden. Deshalb ist der Haargersten-Buchenwald zwar nicht häufig, aber doch verbreiteter, als die Angaben in der älteren Literatur vermuten lassen.
 

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Ähnliche Gesellschaften
 

Auf flachgründigen Böden über Kalkstein in mikroklimatisch begünstigten Lagen ist der Kronenschluss nicht mehr so dicht, wie es sonst für Buchenwälder typisch ist. Deshalb ist die Krautschicht ungewöhnlich reich entwickelt und enthält mehrere sehr anspruchsvolle Arten, darunter mehrere Orchideen, so dass diese Gesellschaft Orchideen-Buchenwald genannt wird. Der wissenschaftliche Name Carici-Fagetum ist unglücklich gewählt, denn die namengebende Weiße Segge (Carex alba) kommt nur in Süddeutschland vor.
 
 
Cephalanthera damasonium

Charakterart ist das Weiße Waldvögelein (Cephalanthera damasonium), oben blühend, rechts fruchtend. Zwei weitere Arten der gleichen Gattung sind ebenfalls submediterrane Ausstrahlungen, die als Differentialarten der Assoziation gelten, und noch seltener als das Weiße Waldvögelein sind, rechts das Rote Waldvögelein (Cephalanthera rubra) und unten das extrem seltene Schwertblättrige Waldvögelein (Cephalanthera longifolia). Ich habe die Art zuletzt 1982 in der Südeifel gefunden. Ob es noch aktuelle Vorkommen gibt, entzieht sich meiner Kenntnis.

       
Cephalanthera rubra

Zur Blütezeit des Roten Waldvögeleins (Cephalanthera rubra) ist das Weiße Waldvögelein (C. damasonium) längst verblüht und trägt dick angeschwollene Fruchtknoten.

Cephalanthera longifolia

 
Weitere typische Orchideen sind Stendelwurz-Arten (Gattung Epipactis). Strenge Charakterart ist die Kleinblättrige Stendelwurz (Epipactis microphylla) (rechts). Die kleinen Blättchen reichen unter dem Laubdach eines Buchenwalds sicher nicht aus, um den Energiebedarf der Pflanze über die Photosynthese zu decken. Offensichtlich holt sich die Pflanze den Rest über ihren Wurzelpilz; die meist als Symbiose funktionierende Mykorrhiza schlägt hier also in ein parasitisches Verhältnis zu Lasten des Pilzes um.
      Darüberhinaus findet man nicht selten Exemplare, deren Blüten sich nicht mehr richtig öffnen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Pflanzen auf Selbstbestäubung (Autogamie) übergangen sind. 
 

Aus der Breitblättrigen Stendelwurz (Epipactis helleborine),  die als Fagetalia-Ordnungscharakterart in vielen Waldtypen vorkommt, sind durch Selbstbestäubung (Autogamie) eigenständige Linien entstanden, die als eigene Arten aufgefasst werden. Mehrere davon gelten als Differentialarten des Carici-Fagetum, z.B. die relativ verbreitete Müllers Stendelwurz (Epipactis muelleri) oder die sehr viel seltenere Schmallippige Stendelwurz (Epipactis leptochila).

Epipactis microphylla

Die Abgrenzung des Haargersten-Buchenwalds zu weniger anspruchsvollen Buchenwald-Gesellschaften wird beim Waldmeister-Buchenwald (Galio-Fagetum) besprochen.
 

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Joachim Schmitz,  18.II.2005
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