Bemerkungen zur Flora von Halden und Zechenbrachen des Aachener Kohlenreviers
Joachim Schmitz
Mit 2 Tabellen
(Manuskripteingang: )
Kurzfassung
Angeregt durch entsprechende Funde im Ruhrgebiet wurden Halden und Zechenbrachen
des Aachener Steinkohlenreviers auf charakteristische und seltene Arten
untersucht. U.a. konnten Vorkommen der folgenden Arten festgestellt werden:
Aster tripolium
(5003/32+4), Chenopodium botrys (5102/21),
Juncus ranarius
(5003/32), Pastinaca sativa ssp. urens (5102/21),
Puccinellia
distans (5002/43, 5003/32), Rumex maritimus (5102/22) und Vulpia
bromoides (5102/21). Dabei handelt es sich überwiegend um Neufunde.
Die Vergesellschaftungen von Vulpia bromoides im Filagini-Vulpietum
sowie von Aster tripolium und Puccinellia distans sind durch
pflanzensoziologische Aufnahmen belegt.
Abstract
Inspired by corresponding findings in the Ruhr area characteristic and
rare plant species were searched on heaps and other waste land of former
coal-mines in the Aachen coal-field. Among other plants the following species
were found by this investigation: Aster tripolium (5003/32+4), Chenopodium
botrys (5102/21), Juncus ranarius (5003/32), Pastinaca sativa
ssp. urens (5102/21), Puccinellia distans (5002/43, 5003/32),
Rumex
maritimus (5102/22) and Vulpia bromoides (5102/21). Most of
these occurences are unknown so far. Vulpia bromoides thrives in
the Filagini-Vulpietum, Aster tripolium and Puccinellia distans
occur in the Chenopodietum rubri. Both associations are proved by phytosociological
records.
1. Einleitung
1997 wird mit der Schließung der Zeche SOPHIA JACOBA in Hückelhoven
(Kreis Heinsberg) die Industriegeschichte des Aachener Steinkohlenreviers
enden. Die übrigen Förderanlagen sind schon seit Jahren geschlossen,
zuletzt wurde die Grube EMIL MAYRISCH in Siersdorf zum Jahresende 1992
stillgelegt. Inzwischen sind die ehemaligen Betriebsgebäude zum großen
Teil abgerissen und etliche Halden rekultiviert. Dementsprechend sind die
meisten Flächen heute aus dem Bergrecht entlassen, oder dieser Schritt
steht kurz bevor. Dadurch wurde es möglich, diese Flächen zu
begehen und insbesondere nach solchen Industriophyten zu suchen, die auf
vergleichbaren Standorten im Ruhrgebiet gefunden wurden wie z.B. Aster tripolium,
Chenopodium
botrys, Inula graveolens oder
Puccinellia distans. (Bei
DETTMAR & SUKOPP (1991) und DETTMAR (1993) finden sich umfangreiche
Literaturzusammenstellungen zum Vorkommen dieser Arten im Ruhrgebiet.)
Im einzelnen gehörten die untersuchten Flächen zu folgenden Zechen:
ADOLF in Merkstein (Quadrant 5102/21), ANNA in ALSDORF (5102/22-4), CAROLUS
MAGNUS in Übach-Palenberg (5002/41+3), CARL-ALEXANDER in Baesweiler
(5002/44), EMIL MAYRISCH in Siersdorf (5003/32+4) und MARIA in Alsdorf-Mariadorf
(5103/13).
Schon frühzeitig versuchte man, die Halden durch Begrünung
zu stabilisieren und zu rekultivieren. Meist geschah dies durch Aufforstungen
mit Pioniergehölzen wie Birken, Erlen u.a. Solche Forste sind sehr
eintönig. In steilen, trockenen Lagen ist kaum eine Krautschicht ausgebildet,
sonst dominieren Brombeergebüsche und in stauenden Lagen Brennesselherden
im Unterwuchs. Lediglich an besonders der Lichteinstrahlung und der Erosion
ausgesetzten Stellen konnten sich weder Aufforstungen noch natürlicher
Strauchwuchs behaupten. Dementsprechend konzentrierte sich die floristische
Suche auf solche Kahlstellen und auf jüngere, möglichst wenig
rekultivierte Halden. Darüberhinaus waren natürlich Sickergruben,
Wassergräben etc. von erhöhtem Interesse.
Die Begehungen erfolgten von Sommer 1995 bis Frühjahr 1996. Die
Nomenklatur der Arten richtet sich nach der „Standardliste der Farn- und
Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland (vorläufige Fassung)"
(ZENTRALSTELLE FÜR DIE FLORISTISCHE KARTIERUNG DER BRD NORD 1993)
einschließlich der Korrekturen und Nachträge (WIßKIRCHEN
1995). Ggf. werden taxonomische Probleme bei der jeweiligen Art besprochen.
Die Angaben zur Industriegeschichte sind SCHAETZKE (1995) entnommen.
Nach einer allgemeinen Einführung in die Geschichte der Zechenbrachen
werden im Folgenden die verschiedenen Fundorte mit ihren bemerkenswerten
Arten besprochen.
2. Zur Geschichte der untersuchten Zechenbrachen
Wie im Ruhrgebiet treten die kohleführenden Schichten des Karbons
am Fuß des Rheinischen Schiefergebirges zu Tage, nach Norden sinken
die Flöze immer tiefer. Bereits im Mittelalter wurden bei Eschweiler
oberflächliche Kohlevorkommen abgebaut. Später wanderte der Bergbau
wie im Ruhrgebiet nach Norden. Die oben erwähnten Zechen stammen überwiegend
aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; ADOLF in Merkstein ging
1913 in Betrieb und als letzte Grube begann EMIL MAYRISCH in Siersdorf
1952 die Förderung, nachdem bereits 1938 der erste Spatenstich erfolgt
war. Schon Anfang der 60er Jahre kam die erste Kohlenkrise, und MARIA und
CAROLUS MAGNUS mußten den Betrieb aufgeben. Als Rationalisierungsmaßnahme
verfolgte der Eschweiler Bergwerksverein (EBV), der die meisten Zechen
im Aachener Revier betrieb, die Strategie, die Grubenfelder unterirdisch
zu verbinden. 1972 wurde die Zeche ADOLF stillgelegt; die Flöze wurden
weiter über ANNA in Alsdorf abgebaut. 1975 folgte CARL-ALEXANDER in
Baesweiler und 1983 wurde auch ANNA unterirdisch mit EMIL MAYRISCH verbunden,
so daß nur noch hier die Kohle zu Tage befördert wurde. 1992
endete schließlich der Gesamtbetrieb.
Der EBV betrieb nicht nur Zechen, sondern versuchte auch, den Kohleabsatz
durch eigene Kraft- und Heizwerke und eine eigene Kokerei zu sichern. Um
den Bedarf der Kokerei ANNA in Alsdorf an Kokskohle zu decken, kaufte der
EBV 1966 die Zeche ERIN in Castrop-Rauxel und 1969 die Zeche WESTALEN in
Ahlen auf. Dies ist für die Diskussion der Herkunft der angetroffenen
Pflanzen von Bedeutung, da man spätestens seit dieser Zeit von einem
regelmäßigen Güterzugverkehr zwischen dem Ruhrgebiet und
dem Aachener Kohlerevier ausgehen kann. Noch viel länger gibt es solche
Verbindungen allerdings mit Luxemburg. Dies war bereits um die Jahrhundertwende
einer der Hauptgründe für den Bau der sogenannten Vennbahn; seit
1926 war der luxemburgische ARBED-Konzern Hauptaktionär des EBV.
Die aus dem Bergrecht entlassenen Halden sollen überwiegend zu
Naherholungsgebieten gestaltet werden. Die übrigen Betriebsgelände
werden saniert und wieder als Gewerbegebiete genutzt; z.B. wurden in Alsdorf
die über 50 Hektar (!) der Zeche und Kokerei ANNA an die Landesentwicklungsgesellschaft
Nordrhein-Westfalen verkauft.
3. Ergebnisse
3.1 Alsdorf (ANNA und MARIA)
Die Halden der bereits 1962 geschlossenenen Grube MARIA sind vollständig
rekultiviert. In diesem Zusammenhang nennenswerte Arten wurden hier nicht
angetroffen.
Zum Grubenfeld ANNA gehören drei Halden. Die beiden älteren,
südlich bzw. südwestlich des Zechengeländes gelegenen sind
weitgehend aufgeforstet. Erwähnenswert ist lediglich das Vorkommen
von Digitaria sanguinalis ssp. s. auf nacktem Kohlengrus
auf der Kuppe der nördlicheren Halde (5102/24).
Die westlichste und jüngste Halde (Die Förderung auf ANNA
wurde 1983 eingestellt.) ist noch wenig bewachsen. Hier wurde eine Begrünung
versucht, indem ein mit Saatgut verstetztes Schlamm-Erde-Gemisch von der
Kuppe abgekippt wurde. Die so entstandenen breiten Bahnen, die schon von
weitem erkennbar sind, sind heute durch Massenbestände von Senecioinaequidens
gekennzeichnet. In den dazwischen verbliebenen Kahlstellen wächst
Cynoglossum
officinale, das sonst in der Region sehr selten ist (5102/24). Möglicherweise
deutet das Vorkommen daraufhin, daß das Bergematerial hier einen
deutlichen Anteil Carbonatgestein enthält. An den Ufern nordwestlich
vorgelagerter Schlammteiche finden sich Chenopodium rubrum und andere
Arten des Chenopodietum rubri. Nicht hier, sondern in einer trockengefallenen
Fahrrinne wurde mit
Rumex maritimus die bemerkenswerteste Art dieses
Gebiets angetroffen (5102/22).
3.2 Baesweiler (CARL-ALEXANDER)
Auch diese, 1975 geschlossene Halde ist weitgehend aufgeforstet. Neben
Cynoglossum
officinale sind hier lediglich die Schlammteiche am Nordfuß der
Halde interessant mit Vorkommen von Chara fragilis,
Myriophyllum
spicatum und Potamogeton natans (5002/44).
3.3 Merkstein (ADOLF)
Ein Foto aus dem Stillegungsjahr 1972 (SCHAETZKE 1995: 221) zeigt eine
schwarze, fast vegetationsfreie Halde. Bis auf zwei Fördertürme,
die noch für die Seilschaft und die Bewetterung der nun von Alsdorf
aus abgebauten Stollen gebraucht wurden, waren alle oberirdischen Betriebsgebäude
vollständig abgerissen. Heute ist die Halde in großen Teilen
aufgeforstet oder zugewachsen. Wahrscheinlich wegen der extremen Erwärmung
des schwarzen Gesteins im Sommer sind aber mehrere größere Flächen,
vor allem am Südfuß und auf der Kuppe, frei geblieben. Besonders
die windgeschützten Stellen am Haldenfuß können sehr heiß
werden; bei den Begehungen im August 1995 konnte man den schwarzen Grus
nachmittags kaum noch mit der Hand berühren.
An solchen Stellen wurden mehrere Populationen von Chenopodium botrys
gefunden. Es handelt sich durchweg um Reinbestände. Die Standortumstände
entsprechen den bei DETTMAR & SUKOPP (1991) geschilderten. Mangels
begleitender Arten ist eine soziologische Zuordnung der Bestände problematisch.
Da in der Nachbarschaft mehrfach das Filagini-Vulpietum (s.u.) angetroffen
wurde, scheinen die Vorkommen eher zum aus Westfrankreich beschriebenen
„Chaenarrhino-Chenopodietum botryos vulpietosum myuri" (a.a.O.) zu tendieren
als zu den aus dem Ruhrgebiet und erst recht aus Berlin beschriebenen Varianten
dieser Gesellschaft.
An weniger extremen, aber immer noch weitgehend strauchfreien Orten
wächst großflächig das Filagini-Vulpietum. Am reichsten
ist die Gesellschaft am Haldenfuß entwickelt, hier mit Vorkommen
von Cerastium glutinosum, Poa humilis (syn. P. subcaerulea)
und der sehr seltenen Vulpia bromoides, die an wenigen Stellen,
aber gesellig auftritt. Tab.1 dokumentiert ein solches Vorkommen.
Hervorzuheben ist schließlich noch der Massenbestand von Pastinaca
sativa ssp. urens auf dem ehemaligen Zechengelände und
benachbarten Ruderalflächen. Diese seltene Sippe fällt schon
alleine durch den bis zu mannshohen Wuchs auf.
Von den zahlreichen Ruderalpflanzen auf dem Zechengelände seien
noch Kickxia elatine und Setaria viridis hervorgehoben. Die
einzige nennenswerte Feuchtvegetation wächst in zwei flachen Mulden,
u.a. mit Glyceria declinata. Schließlich sind auf dem Gelände
mehrere Zierpflanzen verwildert, darunter Helianthus x laetiflorus
PERS. Diese Hybride aus H. rigidus (CASS.)DESF. und H. tuberosus
ähnelt einer etwas klein geratenen H. tuberosus mit schlankeren
Rhizomknollen; von H. rigidus unterscheidet sie sich u.a. dadurch,
daß die Blätter nicht völlig ganzrandig sind. Da die Sippe
in den gängigen Bestimmungsbüchern meist nicht verschlüsselt
ist, sind Verwechslungen mit H. tuberosum leicht möglich. (Alle
Funde in 5102/21).
3.4 Siersdorf (EMIL MAYRISCH)
Die Halde wurde nördlich der Zeche aufgeschüttet, so daß
sie näher an Setterich und Freialdenhoven als an Siersdorf liegt.
Es ist die jüngste und größte Halde. Die jüngsten
Teile haben sich noch nicht gesetzt und sind deshalb ganz vegetationsfrei.
Sonst dominiert auf den nach SW und NW exponierten Hängen eine lückige
Pioniervegetation mit Senecio inaequidens, Conyza canadensis
etc. Die NE- und E-Flanke sind anscheinend die ältesten Teile der
Halde; sie sind weitgehend aufgeforstet. Auf der Halde und noch mehr am
Fuß der SW-Flanke gibt es zahlreiche verdichtete Stellen mit mehr
oder weniger temporären Gewässern wie Schlammteiche, Absetzgruben,
Gräben an den LKW-Pisten usw. Außerdem wird das Sickerwasser
in einem Drainagegraben gesammelt, der im SW beginnt, im Uhrzeigersinn
um die ganze Halde führt und in einem Sammelteich an der Ostecke der
Halde endet.
Bemerkenswert ist der hohe Anteil an salztoleranten Arten oder ausgesprochenen
Halophyten an den letztgenannten Standorten. Herausragend ist ein Massenvorkommen
von Aster tripolium im gesamten Verlauf des Drainagegrabens. Wie
bei DETTMAR (1993) und HAMANN & KOSLOWSKI (1988) für das Ruhrgebiet
beschrieben, zeigt die Art auch hier mehr Affinität zu Bidentetea-Gesellschaften
als zu echten Salzrasen, was sich in der Vergesellschaftung mit Chenopodium glaucum
und Chenopodium rubrum wiederspiegelt. Unter den Begleitern sind
außerdem Juncus ranarius und Atriplex prostrata var.
salina
(WALLR.) GREN. et GODR. erwähnenswert. Diese besonders sukkulente
und stark bemehlte Sippe von Salzstandorten wurde von WALLROTH als Atriplex
hastata var. salina beschrieben. Die Standardliste erkennt die
Eigenständigkeit dieses Taxons nicht an und verweist es in die Synonymik
zu A. prostrata, ohne die o.a. Kombination als Synonym aufzuführen.
Unabhängig davon, ob es sich um eine genetisch fixierte Sippe oder
eine reine Standortmodifikation handelt, scheint es wegen des ökologischen
Zeigerwerts und der pflanzensoziologischen Differenzierungkraft in jedem
Fall sinnvoll, diese Sippe nomenklatorisch von der Nominatform abzugrenzen.
Vergleichbares gilt für die hier vorkommende Sippe von Polygonum
rectum (syn. P. heterophyllum), die bisher meist als P. heterophyllum
ssp. virgatum bezeichnet wurde. Die konsequente Neukombination P.
rectum ssp. virgatum ist anscheinend bisher nicht vorgenommen
worden (abgesehen davon, ob Subspecies als taxonomischer Rang nicht etwas
zu hoch gegriffen ist).
Der genannte Drainagegraben erweitert sich am Ende in einen kleinen,
flachen, kreisrunden Vorstau von etwa 4m Durchmesser, über dessen
Stufe das Wasser schließlich in einen größeren Sammelteich
fließt. Nur in diesem Vorstau wurde auch Puccinellia distans
angetroffen. Die Vergesellschaftung (Tab.2, Aufn.1) entspricht dem, was
bei DETTMAR (1993) als Subassoziation von Puccinellia distans des
Chenopodietum rubri bezeichnet wird.
Atriplex prostrata var. salina und Polygonum rectum
„ssp. virgatum" sind mehr oder weniger über die ganze Halde
verbreitet (5003/32 und 5003/34). Juncus ranarius und Puccinellia
distans sind jeweils einmal in 5003/32 nachgewiesen. Aster tripolium
besitzt neben dem geschilderten noch ein weiteres Massenvorkommen außerhalb
des Zechengeländes an einem Schlammteich und einem Bach östlich
der Halde (5003/32 und /34). Die außerordentlich mastigen Pflanzen
dringen hier sogar in Rübenäcker ein.
3.5 Übach-Palenberg (CAROLUS MAGNUS)
Das Gelände ist bereits intensiv landschaftsgärtnerisch bearbeitet.
Floristisch ist nur noch ein Wassergraben am Südfuß der Halde
erwähnenswert. An seinem Ende wird er durch den Betonsockel eines
alten Wasserturms aufgestaut. Hier wächst Puccinellia distans
im Chenopodietum rubri, das hier durch besonders viele Algen gekennzeichnet
ist (Tab.2, Aufn.2). Man könnte deshalb auch von einer Verzahnung
der Phanerogamengesellschaft mit bzw. von einem Übergang zum Charetum
vulgaris reden. Weiter oberhalb findet sich am selben Graben das Chenopodietum
rubri ohne Puccinellia distans (Tab.2, Aufn.3). Möglicherweise
wird erst durch den Anstau und die damit verbundene größere
Verdunstung der Elektrolytgehalt des Wassers so hoch, daß Puccinellia
distans konkurrenzfähig wird. Außerdem ist noch ein Vorkommen
von Schoenoplectus lacustris am genannten Wassergraben erwähnenswert.
(Alle Funde in 5002/43).
4. Vergleich
Trotz der Nivellierung durch die umfangreichen Aufforstungen und Rekultivierungsmaßnahmen
zeigt die Vegetation der Halden deutliche Unterschiede. So ist die Halde
ADOLF in Merkstein besonders durch den Steinrasen des Filagini-Vulpietum
und damit in Kontakt stehende Vorkommen von Chenopodium botrys charakterisiert,
während eine nennenswerte Feuchtvegetation fehlt. Im Gegensatz zu
den meisten anderen Orten ist die Brache auf dem alten Zechengelände
noch nicht „saniert", so daß sich eine reiche Ruderalflora entwickeln
konnte. Insgesamt ist die Vegetation durch (sub)mediterrane-subatlantische
Elemente ausgezeichnet, z.B. Vulpia bromoides, Kickxia elatine
oder Pastinaca sativa ssp. urens. Von daher und wegen der
intensiven Verkehrsbeziehungen mit Luxemburg läßt sich vage
spekulieren, daß die Einwanderung der Neophyten hier eher vom SW
als etwa über das Ruhrgebiet erfolgte.
Die Halden in Baesweiler und Alsdorf sind durch Cynoglossum officinale
gekennzeichnet, was auf einen gewissen Kalkgehalt des Bergematerials deutet.
Wie in Merkstein fehlen auch hier ausgesprochene Halophyten. Feuchtbiotope
sind vorhanden, an ungewöhnlichen Arten ist aber nur das Vorkommen
von Rumex maritimus zwischen Alsdorf und Merkstein zu nennen.
Das Markenzeichen der Siersdorfer Haldenvegetation ist die mehr oder
weniger halophytische Feuchtvegetation. Mit Vorkommen von Aster tripolium
und Puccinellia distans zeigt diese Halde die deutlichsten Parallelen
zu vergleichbaren Standorten im Ruhrgebiet. Während Puccinellia
distans sich so stark an Straßenrändern ausgebreitet hat,
daß der Weg der Einwanderung nicht mehr zu rekonstruieren ist, scheint
Aster
tripolium am wahrscheinlichsten vor nicht allzu langer Zeit mit dem
Austausch von Güterwagen aus dem Ruhrgebiet eingeschleppt worden zu
sein. Dafür spricht auch, daß die Art in einem passenden Biotop
an der wesentlich älteren, weiter westlich gelegenen Halde in Übach-Palenberg
nicht vorkommt (vgl. Tab.2), was bei einer Einwanderung aus Richtung Westen
doch zu erwarten wäre. Dazu steht auch nicht im Widerspruch, daß
weitere typische Arten der Ruhrgebietsbrachen wie
Bolboschoenus maritimus
oder
Inula graveolens nicht gefunden wurden. Wegen der sehr viel kleineren
Fläche der potentiellen Standorte im Beobachtungsgebiet ist dies leicht
als Zufallseffekt zu interpretieren.
5. Zusammenstellung der Neufunde
Auf der Grundlage des „Atlas der Farn- und Blütenpflanzen des Rheinlandes"
(SCHUMACHER 1995) sind folgende Funde als Neufunde zu bewerten (nach Viertelquadranten
sortiert):
5002/43: Chenopodium glaucum, Puccinellia distans, Schoenoplectus
lacustris
5003/32: Aster tripolium, Juncus ranarius, Puccinellia distans
5003/34: Aster tripolium
5102/21: Cerastium glutinosum, Chenopodium botrys, Glyceria declinata,
Kickxia elatine, Setaria viridis, Vulpia bromoides
5102/24: Digitaria sanguinalis ssp. s.
Außerdem wurden folgende Taxa beobachtet, die im „Atlas" nicht
differenziert dargestellt sind:
5002/43: Atriplex prostrata var. salina
5003/32: Atriplex prostrata var. salina, Polygonum
rectum „ssp. virgatum"
5003/34: Atriplex prostrata var. salina, Polygonum
rectum „ssp. virgatum"
5102/21: Helianthus x laetiflorus PERS., Pastinaca sativa
ssp.
urens.
Literatur
DETTMAR, J. & H. SUKOPP (1991): Vorkommen und Gesellschaftsanschluß
von Chenopodium botrys L. und Inula graveolens (L.) DESF. im Ruhrgebiet
(Westdeutschland) sowie im regionalen Vergleich.- Tuexenia (Göttingen)
11, 49-65.
DETTMAR, J. (1993): Puccinellia distans-Gesellschaften auf Industrieflächen
im Ruhrgebiet - Vergesellschaftung von Puccinellia distans in Europa. -
Tuexenia (Göttingen) 13, 445-465.
HAMANN, M. & I. KOSLOWSKI (1988): Vegetation, Flora und Fauna eines
salzbelasteten Feuchtgebiets an einer Bergehalde in Gelsenkirchen. - Natur
und Heimat (Münster) 48 (1), 9-14.
SCHAETZKE, H. J. (1995): Vor Ort. Eschweiler Bergwerks-Verein - Geschichte
und Geschichten eines Bergbauunternehmens im Aachener Revier. 2. Aufl.
268 S. - Aachen (Zeitungsverlag Aachen).
SCHUMACHER, W. (Hrsg.) (1995): Atlas der Farn- und Blütenpflanzen
des Rheinlandes. - Bonn (Abt. Geobotanik und Naturschutz, Inst. F. Landw.
Botanik, Univ. Bonn).
WIßKIRCHEN, R.: (1995): Korrekturen und Nachträge zur Standardliste
der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland (vorläufige
Fassung). - Floristische Rundbriefe (Bochum) 29(2), 212-246.
ZENTRALSTELLE FÜR DIE FLORISTISCHE KARTIERUNG DER BUNDESREPUBLIK
DEUTSCHLAND (NORD) (Hrsg.) (1993): Standardliste der Farn- und Blütenpflanzen
der Bundesrepublik Deutschland (vorläufige Fassung). - Floristische
Rundbriefe (Bochum) Beiheft 3, 1-480.
Anschrift des Verfassers: Joachim Schmitz, Beeckstraße 12, 52062
Aachen
Höhe über NN in m
Exposition - Fläche in m2 |
- 1 |
|
A
V K
B
|
Vulpia myuros
Vulpia bromoides Filago minima Cerastium glutinosum Echium vulgare Herniaria glabra Bromus hordeaceus ssp. h.
|
+
5 v 1 + + 1
|
Tabelle 1. Filagini-Vulpietum (Merkstein), ferner mit r: Cirsium
arvense, Daucus carota, Picris hieracioides, Tripleurospermum
perforatum. Merkstein, im Schlackengrus am Fuß der Halde Adolf
(5102/21.), 15.VI.1996
Aufnahme Nr. |
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Höhe über NN in m |
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Exposition |
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|
Fläche in m² |
|
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|
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A
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Chenopodium glaucum |
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|
|
Chenopodium rubrum |
|
|
|
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d1,2 | Puccinellia distans |
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|
|
Aster tripolium |
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V
|
Atriplex prostrata var. salina |
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|
|
DV
|
Tripleurospermum perforatum |
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|
|
O
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Ranunculus sceleratus |
|
|
|
B
|
Agrostis stolonifera ssp. prorepens |
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|
Senecio inaequidens |
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Phragmites australis |
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Poa trivialis |
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Sonchus arvensis ssp. a. |
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|
Carex otrubae |
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Chara vulgaris |
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Unbestimmte Fadenalgen |
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Typha latifolia |
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Eleocharis palustris ssp. vulgaris |
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Lolium perenne |
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Cirsium arvense |
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Juncus bufonius agg. |
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Trifolium repens |
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|
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Tabelle 2. Ausprägungen des Chenopodietum rubri
1: Chenopodietum rubri „puccinellietosum distantis" (sensu DETTMER 1993)
Setterich, flache Staustufe im Drainagegraben der Halde EMIL MAYRISCH
(5003/32), 26.VIII.1995
2: Chenopodietum rubri „puccinellietosum distantis" (sensu DETTMER 1993)
Übach-Palenberg, aufgestauter Wassergraben am alten Wasserturm
Zeche CAROLUS MAGNUS (5002/43), 17.X.1995
3: Chenopodietum rubri
Übach-Palenberg, schlammiger Wassergraben, etwa 50m vor Aufnahmestelle
3 (5002/43), 17.X.1995