Schmitzens Botanikseite
Rheinische Pflanzengesellschaften
Kamillen-
Ackerwildkraut-
GesellschaftAlchemillo-Matricarietum chamomillae Verband: Aperion spicae-venti
Ordnung: Centauretalia cyani
Klasse: Secalietea cerealis
(Stellarietea mediae p.p.)- Allgemeines
- Charakterarten
- Vorkommen
- Ähnliche Gesellschaften
Allgemeines
Ungespritzter Ackerrandstreifen mit Alchemillo-Matricarietum Die Ackerwildkraut-Gesellschaften des Aperion-Verbandes sind weniger anspruchsvoll, was Wärme und Bodenqualität betrifft, als die Kalkackergesellschaften des Caucalidion. Dabei bevorzugt die Kamillen-Gesellschaft mehr oder weniger lehmige Böden im neutralen bist mäßig sauren Bereich. Mit diesen Ansprüchen war sie schon immer die häufigste heimische Ackerwildkraut-Gesellschaft. Da Grenzertragsflächen auf Sand oder anderen mageren Böden meist nicht mehr bewirtschaftet werden, trifft dies heute umsomehr zu. Allerdings ist auch die Kamillen-Gesellschaft stark von der Intensivierung der Landwirtschaft zurückgedrängt worden. Schöne Bestände findet man deshalb vor allem auf brachliegenden Äckern und ungespritzten Randstreifen, die nach dem Ackerrandstreifen-Programm des Landes NRW unterhalten werden.
Wichtigste Charakterart ist die Echte Kamille (Matricaria chamomilla, syn. M. recutita). Die bekannte Heilpflanze stammt ursprünglich aus dem ostmediterranen Raum und ist wohl schon in vorgeschichtlicher Zeit mit dem Ackerbau nach Mitteleuropa vorgedrungen.
Der Acker-Frauenmantel (Aphanes arvensis) (oben) ist ein unscheinbares Rosengewächs. Heute werden die einjährigen Frauenmantelarten als eigene Gattung Aphanes von den ausdauernden Arten der Gattung Alchemilla abgetrennt. Früher wurde die Art Alchemilla arvensis genannt; darauf bezieht sich der Assoziationsname Alchemillo-Matricarietum. Wie der Acker-Frauenmantel gilt auch der Einjährige Knäuel (Scleranthus annuus) (unten) als Verbandscharakterart. Die Art bevorzugt besonders saure und sandige Böden und kommt deshalb nicht in allen Ausprägungen der Gesellschaft vor. Varianten der Gesellschaft mit reichlich Einjährigem Knäuel und anderen Säurezeigern werden als eigene Subassoziation abgegrenzt.
Der Hederich (Raphanus raphanistrum) kommt in verschiedenen Typen von Ruderal- und Segetalvegetation vor. Da er eher saure, kalkarme Böden bevorzugt, kennzeichnet er in Ackerfluren den Verband Aperion und gilt dementsprechend als Differentialart des Verbandes.Morphologisch bemerkenswert sind die Früchte der Art. Normalerweise platzen die Schoten bei Kreuzblütern der Länge nach auf und geben die Samen frei. Hier bleiben die Schoten geschlossen und zerfallen bei der Fruchtreife in nussartige Teile, die jeweils einen Samen einschließen.
Die folgenden Arten sind Ordnungs- und Klassencharakterarten der Ackerwildkrautgesellschaften. In der heute üblichen Zusammenfassung der Ackerwildkrautgesellschaften mit anderen kurzlebigen Ruderalfluren in der Klasse Stellarietea mediae sollten sie als Charakterarten der Unterklasse Violenea arvensis geführt werden.
Das Acker-Stiefmütterchen (Viola arvensis) ist auch heute noch ziemlich häufig. Anscheinend verträgt es die modernen Bewirtschaftungsformen mit Herbizideinsatz und sehr dichter Aussaat des Getreides besser als die meisten anderen Ackerwildkräuter.
Das kann man von der Kornblume (Centaurea cyanus) leider nicht behaupten. Neben der Wirkung von Unkrautbekämpfungsmitteln liegt dies auch an der Wuchsform: Alte Getreidesorten wurden viel höher als moderne Sorten (die zusätzlich noch durch Wachstumshemmer kurz gehalten werden). Dem hat sich die Kornblume durch lange, hohe Triebe angepasst. In einem hochwüchsigen Getreidefeld kann sie sich an den Getreidehalmen anlehnen. Im freien Stand ist die Pflanze aber nicht stabil, einzelne Zweige oder die ganze Pflanze brechen leicht ab oder werden niedergedrückt.
Die klassische Ackerblume ist der Klatsch-Mohn (Papaver rhoeas) (oben). Die Art ist zwar immer noch verbreitet und häufig. So schöne Bestände wie im Bild oben findet aber nur noch selten.
Rechts: Als Art gemäßigt-kontinentaler Verbreitung war der Acker-Steinsame (Lithospermum arvense ssp. arvense; syn. Buglossoides arvensis) im Rheinland schon immer etwas seltener.
Ähnliches gilt für den Saat-Leindotter (Camelina sativa) (rechts), der früher als Ölpflanze benutzt wurde, heute aber nur noch als seltenes Ackerwildkraut auftritt. Die abgebildete Form wurde früher als Unterart pilosa bewertet, gilt heute aber nur noch als Varietät, die dann var. zingeri heißt. Da zumindest die früher gebräuchlichen Herbizide selektiv nur auf Zweikeimblättrige wirkten, kann sich der Flug-Hafer (Avena fatua) (links) auch in gespritzten Äckern behaupten. Bevor der ertragreichere Kultur-Hafer auftauchte, wurde der Flug-Hafer selbst als Getreide angebaut Der Kamillenacker ist immer noch verbreitet. Meistens ist die Gesellschaft aber auf einen schmalen Streifen am Rand der Äcker abgedrängt. An solchen Stellen ist auch die Artenzahl stark reduziert. Bestände mit der Kamille lassen sich noch als verarmtes Alchemillo-Matricarietum auffassen. Häufiger sind aber kennartenlose Rumpf-Gesellschaften. Schöne artenreiche Vorkommen findet man noch auf ungespritzten Ackerrandstreifen und auf jungen Brachen wie aufgelassenen Äckern, frisch ausgehobenen Straßenböschungen u.ä.. Dort bleiben sie aber nur temporäres Sukzessionsstadium.
Ähnliche Gesellschaften
In höheren Lagen nimmt die Artenzahl ab; insbesondere die Kamille geht zurück. Nur der Knäuel (Scleranthus annuus) ist besser vertreten. Außerdem nähern sich die Wildkrautfluren von Getreide- und Hackfruchtäckern an. Man findet die Arten beider Ackertypen dann zusammen auf einem Feld. Diese Mittelgebirgs-Gesellschaft wird als Galeopsio-Aphanetum arvensis (Berg-Ackerknäuel-Gesellschaft) bezeichnet.
Auf sandigeren und saureren Böden wird die Kamillenflur von der Sand-Mohn-Gesellschaft (Papaveretum argemone) ersetzt. Charakterarten sind u.a. Sand-Mohn (Papaver argemone) (links unten), Saat-Mohn (Papaver dubium) und Dreiteiliger Ehrenpreis (Veronica triphyllos) (rechts unten).
Als kontinental geprägte Gesellschaft war die Sand-Mohn-Flur im Rheinland schon immer nicht so verbreitet. Da der Ackerbau auf sandigen, relativ nährstoffarmen "Grenzertragsböden" heute meistens aufgegeben ist, ist die Gesellschaft im Rheinland nahezu ausgestorben. Ihre Charakterarten haben sich auf Industriebrachen, Eisenbahntrassen u.ä. Ersatzbiotope retten können oder tauchen gelegentlich in aufgelassenen Feldern auf. Noch nährstoffärmere, reine Sandböden werden von der Lämmersalat-Gesellschaft (Sclerantho-Arnoseridetum minimae) besiedelt. Solche Sandäcker waren natürlich die ersten, deren Bewirtschaftung aufgegeben wurde. Die Gesellschaft ist bis auf wenige Vorkommnen, die aus Naturschutzgründen als Biotoppflegemaßnahme traditionell bewirtschaftet werden, ausgestorben.
Heute sind Getreideäcker praktisch frei von aus wirtschaftlicher Sicht unerwünschten Wildpflanzen. Da die meisten Herbizide selektiv nur auf Zweikeimblättrige wirken, können sich allerdings gelegentlich "Ungräser" massenhaft ausbreiten. Im Beispiel unten ist dies der Windhalm (Apera spica-venti), der sich als dunkler Schleier über das Getreide erhebt. Der Windhalm ist übrigens auch Verbandskennart der hier besprochenen Acker-Wildkraut-Gesellschaften. Ohne Herbizideinsatz würde hier wahrscheinlich die Kamillen-Gesellschaft gedeihen.