Allgemeines

Von Natur aus sind Gesellschaften kurzlebiger Pionierpflanzen auf seltene Sonderstandorte wie Erdanrisse, Anschwemmungen an Flussufern oder Lagerplätze von Wildtieren beschränkt. Durch den Menschen wurden die potentiellen Wuchsorte dramatisch vervielfacht. Heute kommen einjährige, schnell wachsende und zahlreiche Samen produzierende Pflanzen überall auf Baustellenschutt, an Verkehrsflächen, in Grünanlagen und Äckern vor. Solche Standorte werden als "ruderal" bezeichnet.

Conyzo-Lactucetum serriolae

Die Gesellschaft des Kompass-Lattichs (Lactuca serriola) (oben) bevorzugt relativ nährstoffarme, steinige oder sandige Böden und kommt z.B. in Kiesgruben, Steinbrüchen, auf Eisenbahnbrachen, ja selbst in den Asphaltlücken von Straßen und Parkplätzen vor. Die Gesellschaft ist etwas wärmeliebend. Die Verwandtschaft mit mediterranen Ruderalfluren kann man am Kompass-Lattich selbst am augenfälligsten ablesen. Er dreht seine Blätter so, dass sie senkrecht in der Nord-Süd-Achse stehen. Dies ist ein Schutz vor der starken Mittagssonne und keineswegs eine Einrichtung, um möglichst viel Licht zu bekommen.

In der älteren Literatur wurden die Ruderalgesellschaften der Klasse Chenopodietea einschließlich der Hackfruchtäcker den Wildkrautfluren von Getreideäckern in der Klasse Secalietea gegenübergestellt. Heute werden die Unterschiede der Wildkrautvegetation von Hackfrucht- und Getreideäckern als so gering angesehen, dass sie zusammen mit den übrigen kurzlebigen Einjährigen-Fluren in der einzigen Klasse Stellarietea mediae vereinigt werden. Dies ist unten in zwei Tabellen verdeutlicht:
 
 

ALT  Ordnung   Klasse
Getreideäcker    Secalietea
Hackfruchtäcker 

Ruderal-Gesellschaften

 Polygono-Chenopodietalia 

 Sisymbrietalia

 Chenopodietea 
 
NEU  Unterklasse  Klasse
Getreideäcker 

Hackfruchtäcker 

 Violenea arvensis             
Stellarietea mediae 
Ruderal-Gesellschaften   Sisymbrienea  

Manche Autoren beschränken die Stellarietea auf die Ackerbegleitflora und stellen die Ruderalfluren in eine eigene Klasse Sisymbrietea. Die unterschiedlichen Auffassungen sind nicht nur ein wissenschaftlicher Expertenstreit, sondern spiegeln auch die Veränderung der Landwirtschaft wider, die zu einer Annäherung der Wildkrautfuren in Getreidefeldern und Hackfruchtäckern geführt hat.
 

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Charakterarten
 
 
Abgesehen von der Dichtblütigen Kresse (Lepidium densiflorum), die im Rheinland aber sehr selten und unbeständig vorkommt,  ist der Kompass-Lattich (s.o.) die einzige strenge Kennart. 

Die zweite namengebende Art ist das Kanadische Berufkraut (Conyza canadensis) (rechts), das als Ordnungscharakterart gilt. Die Art ist wahrscheinlich schon im 17. Jahrhundert nach Deutschland gekommen. Sie stammt aus Nordamerika. Es ist übrigens ganz typisch für Ruderalgesellschaften, dass hier besonders viele Neubürger vorkommen, die irgendwann einmal eingeschleppt wurden und sich dann selbst ausgebreitet haben. 

Sisymbrium officinale

Conyza canadensis

 
 
 
 

Typische Begleiter, die als Verbandskennarten eingestuft werden, sind die Gemeine Wegrauke (Sisymbrium officinale) (links) und die Taube Trespe (Bromus sterilis) (unten)

 

Bromus sterilis


Geranium pusillum
Die folgenden Arten sind Beispiele für Klassencharakterarten. 
   Zierlicher 
   Storchschnabel 
   (Geranium pusillum)

 
Nebem Kreuz- und Köpfchenblütern ist auch die Familie der Gänsefußgewächse reich verteten, rechts die Gemeine Melde (Atriplex patula). 
 
 

Senecio vulgaris

.Atriplex patula




Ein wirkliches Allerweltskraut ist das Gemeine Greiskraut (Senecio vulgaris).

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Vorkommen
 

Das Conyzo-Lactucetum serriolae ist weit verbreitet, besonders in und um Städten. Lediglich in den höheren Mittelgebirgslagen wird die Gesellschaft seltener.
 

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Ähnliche Gesellschaften
 

Da die typischen Wuchsflächen oft sehr klein sind und nur kurze Zeit bestehen bzw. die Pionierpflanzen von ausdauernden Arten überwachsen werden, ist das Artengefüge oft unvollständig und stark vom Zufall geprägt. Deshalb lassen sich oft nur größere Bestände eindeutig einer Assoziation zuordnen. Dominanzbestände einzelner Arten können nur als ranglose Gesellschaften bezeichnet werden. Aus diesem Grund sind schon eine Unzahl von Gesellschaften aufgestellt worden, die sich als nicht haltbar erwiesen, und selbst Kennarten greifen oft in andere Gesellschaften über.
 
Descurainia sophia
    Das Sophienkraut (Descurainia sophia) kommt in der Kompasslattich-Flur auf etwas lehmigeren Böden mit einem höheren Anteil an Feinerde vor und gilt hier als Verbandskennart. Auf lehmigen, wechselfeuchten Böden fallen die Charakterarten des Conyzo-Lactucetum ganz aus und die Sophienrauke wird zur dominiernden Art. Dies gilt als eigene Assoziation unter dem Namen Descurainietum sophiae.

 
Auf sehr stickstoffreichen Böden, z.B. um ländliche Gebäude mit freilaufenden Hühnern, wächst die Gänsemalven-Flur (Urtico-Malvetum neglectae). Kennart ist die Gänse-Malve (Malva neglecta), auch Weg-Malve oder Käsepappel genannt. 
Malva negelecta
 
Chenopodium vulvaria   Der Stink-Gänsefuß (Chenopodium vulvaria) (unten) besiedelt ähnliche Böden, ist aber viel wärmeliebender und deshalb sehr selten. Die entsprechende Gesellschaft heißt Chenopodietum vulvariae. 
 
Die Gesellschaft des Steifen Gänsefußes (Chenopodium strictum) (rechts), das Chenopodietum stricti, enthält überwiegend Arten mit unscheinbaren Blüten. Neben der namengebenden Charakterart sind weitere Gänsefuß-Arten und Arten der Gattung Amaranthus (Fuchsschwanz) zu nennen. Die wärmeliebende Gesellschaft mit kontintaler Verbreitung ist auf Schuttflächen süddeutscher Städte z.T. häufig. Im Rheinland konzentrieren sich die Vorkommen auf die Umgebung des Rheins.

Der Steife Gänsefuß unterscheidet sich vom viel häufigeren Weißen Gänsefuß (Chenopodium alba) vor allem durch die dicklichen Blätter, die bläulich gefärbt und dabei nicht selten rot umrandet sind.

Chenopodium strictum
 
Atriplex sagittata
Die Glanzmelde (Atriplex sagittata, syn. A. nitens) ist auch außerhalb des Rheinlands eine typische Stromtalpflanze. Die von ihr charakterisierte Gesellschaft ist das Atriplicetum nitentis (Glanzmeldenflur).
 
Bei der Ungarischen Wegrauke (Sisymbrium altissimum) (rechts) deutet schon der Name auf die kontinentale Verbreitung hin. Dementsprechend selten ist die Art und die von ihr charakterisierte Gesellschaft, das Lactuco-Sisymbrietum altissimi.
 

Dies gilt noch mehr für das Sisymbrietum loeselii. Die Charakterart Sisymbrium loeselii (Loesels Wegrauke) tritt im Rheinland allenfalls sporadisch auf (unten).

Sisymbrietum loeselii

Sisymbrium altissimum
 
Hordeetum murini

Durch verschieden Gräser, besonders die namengebende Mauer-Gerste (Hordeum murinum), ist das Hordeetum murini geprägt. Die Mauergersten-Flur ist sehr häufig in Städten an Wegrändern, auf Baumscheiben, auf Parkplätzen usw. usw. anzutreffen.
 

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Joachim Schmitz,  25. VII. 2004
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