Schmitzens Botanikseite
Rheinische Pflanzengesellschaften
Schlagflur
des Roten FingerhutsEpilobio-Digitalietum purpureae Verband: Epilobion angustifolii
Ordnung: Atropetalia
Klasse: Epilobietea angustifolii
- Allgemeines
- Charakterarten
- Vorkommen
- Ähnliche Gesellschaften
Allgemeines
Auf entwaldeten Flächen stellt sich spontan eine temporäre Vegetation ein, die sich ohne Eingriff des Menschen über verschiedene Sukzessionsstadien allmählich wieder zum Wald zurückentwickeln würde. Ursprünglich waren solche Schlagfluren sehr selten, sie konnten z.B. durch Windbruch oder Waldbrand entstehen. Durch die Waldnutzung haben sich die potentiellen Wuchsflächen vervielfacht. Die entsprechenden Pflanzen findet man nicht nur auf Kahlschlägen sondern in allen Waldverlichtungen, z.B. auch an den Rändern von Waldwegen.Der Verband Epilobion angustifolii umfasst junge Schlagfluren (etwa 1-4 Jahre nach dem Schlag) auf kalkfreiem Untergrund.
Die Gesellschaft des Roten Fingerhuts (Epilobio-Digitalietum purpureae) (links) ist besonders für das Rheinische Schiefergebirge typisch.
Bereits im ersten Jahr blüht das Wald-Greiskraut (Senecio sylvaticus) (rechts), das als schwache Verbandskennart gilt.
Charakterart ist der als Gift- und Heilpflanze bekannte Rote Fingerhut (Digitalis purpurea) (links). Der rote Farbstoff ist übrigens eine chemische Vorstufe des Digitoxins, des Giftes des Fingerhuts. Die gelegentlich zu findenden Albinos enthalten deshalb auch kein Digitoxin.
Die zweijährige Art ist ein Lichtkeimer; die Samen können Jahrzehnte im Boden überdauern, keimen aber sofort, wenn Licht auf den Boden trifft, wie dies z.B. bei einem Kahlschlag geschieht.
Überall an Waldrändern und Schlagfluren wächst das Schmalblättrige Weidenröschen (Epilobium angustifolium) (unten), das dementsprechend als Ordnungscharakterart eingestuft wird.
. Das Kriechende Leinkraut (Linaria repens) ist eigentlich eine Art von Schieferschuttböden. Im Schiefergebirge kann es aber auch Schlagfluren auf entsprechenden Böden besiedeln und kommt dann oft mit dem Roten Fingerhut zusammen vor.Die unter der Sammelbezeichnung Carex muricata agg. (Artengruppe der Sparrigen Segge) zusammengefassten Sippen gelten pauschal als Ordnungschararakterarten. In der Literatur ist die systematische Stellung und Abgrenzung der zugehörigen Formen höchst umstritten; es besteht nicht einmal Einigkeit, welche Sippen überhaupt in Deutschland vorkommen. Deshalb ist auch bisher nicht genau bekannt, ob und wieweit sich die Sippen in ihrem pflanzensoziologischen Verhalten feiner differenzieren lassen. Die unten links abgebildete Pairas Segge (Carex pairae; = Carex muricata ssp. pairae) bevorzugt saure Böden und kann deshalb vielleicht sogar als Verbandskennart gewertet werden.
Der Gewöhnliche Hohlzahn (Galeopsis tetrahit) (oben rechts) ist eine vielgestaltige, auf allen möglichen Ruderalstandorten wachsende Pflanze. Der Verdacht liegt nahe, dass sich unter diesem Namen mehrere Arten bzw. Unterarten verbergen, die bislang noch nicht erkannt wurden. Z.B. unterscheidet OBERDORFER in der Exkursionsflora eine var. sylvestris, die dort als Klassencharakterart eingestuft wird. (Es klingt sprachlich etwas merkwürdig, wenn eine Varietät als Kennart bezeichnet wird. Eine pflanzensoziologische Charakterart muss aber nicht zwingend auch eine Art im systematischen Sinne sein.)
Der Rote Fingerhut bevorzugt mehr oder weniger atlantisches Klima und meidet Kalkböden. Dementsprechend ist die Gesellschaft im ganzen Rheinischen Schiefergebirge häufig und verbreitet. Auch im Flachland ist die Gesellschaft verbreitet mit Ausnahme von Gebieten mit Kalk- oder Sandböden.
Das kontinentale Gegenstück zum atlantischen Roten Fingerhut ist der Großblütige Fingerhut (Digitalis grandiflora). Außerdem bevorzugt der Großblütige Fingerhut eher basenreiche, also meistens kalkhaltige Böden. Die entsprechende Schlagflur heißt Calamagrostio arundinaceae-Digitalietum grandiflorae (oben). Das Rohr-Reitgras (Calamagrostis arundinacea) (rechts) ist eigentlich eine Waldpflanze. Da es aber auch kontinentales Klima bevorzugt, ist es zur Differenzierung des Calamagrostio-Digitalietum grandiflorae gegen die übrigen Schlagfluren des Verbandes geeignet.
Im Rheinland ist die Gesellschaft nur in den kontinentalen Klimainseln, z.B. an der Nahe oder im Neuwieder Becken, häufiger. Nach Nordwesten werden die Vorkommen immer seltener. Die Grenze wird hier in der Rureifel erreicht.
Als Ersatzgesellschaft armer Eichen-Birken-Wälder auf mageren, meistens sandigen Böden tritt das Epilobio angustifolii-Corydaletum claviculatae auf, das durch den Rankenden Lerchensporn (Ceratocapnos claviculata; = Corydalis claviculata) charakterisiert ist. Die Art und damit die Gesellschaft war bisher vor allem im nordwestdeutschen Flachland verbreitet und erreichte das Rheinland nur am Niederrhein. Neuerdings scheint sie sich nach Süden auszubreiten.