Schmitzens Botanikseite
Rheinische Pflanzengesellschaften
Schuttflur desGelben HohlzahnsGaleopsietum segetum Verband: Galeopsion segetum
Ordnung: Galeopsietalia
Klasse: Thlaspietea rotundifolii- Allgemeines
- Charakterarten
- Vorkommen
- Ähnliche Gesellschaften
Natürliche Schutthalden entstehen durch die Erosion von Felsen und Bergen. Dementsprechend sind die darauf spezialisierten Pflanzengesellschaften in den Alpen am reichsten entwickelt. In den Mittelgebirgen sind natürliche Schutthalden relativ selten. Hier hat der Mensch aber durch den Bau von Wegen und Straßen viele künstliche kleine Felsanrisse geschaffen, an deren Fuß sich abbröckelndes Gestein sammelt.Andere vom Menschen geschaffene Schuttplätze wie Baubrachen, Industriebrachen, Wegböschungen usw. werden von einer ganz anderen Vegetation besiedelt, die man zusammenfassend als "Ruderalvegetation" bezeichnet.
Die Schuttflur des Gelben Hohlzahns (links) ist streng kalkfliehend und bevorzugt subatlantisches (also mäßig ozeanisch geprägtes) Klima. Im Gegensatz zu vielen anderen Schuttfluren handelt es sich also nicht um einen Ausläufer der alpinen Schuttfluren sondern um eine eigenständige Vegetationseinheit der westlichen Mittelgebirge.
Die Gesellschaft besteht oft nur aus wenigen Arten, von denen der Gelbe Hohlzahn (Galeopsis segetum) die auffälligste und häufigste ist. Durch die charakteristisch gezeichneten, großen Blüten und die späte Blütezeit ab August (in warm-feuchten Sommern auch schon Ende Juli) ist sie leicht von anderen Lippenblütlern zu unterscheiden. Wenig bekannt (und von den meisten Bestimmungsbüchern verschwiegen) ist die rotblühende Form des Gelben Hohlzahns. In der Abbildung unten wächst ein solches Exemplar direkt neben einer normalen, weißblütigen Pflanze. Man kann gut erkennen, dass sich die Pflanzen außer in der Blütenfarbe in nichts unterscheiden. Viele Fundangaben des Breitblättrigen Hohlzahns (G. ladanum) dürften auf Verwechslung mit dieser roten Form des Gelben Hohlzahns beruhen. Ich habe G. ladanum jedenfalls noch nie gefunden.
Sehr viel seltener als der Gelbe Hohlzahn ist das Lanzettblättrige Weidenröschen (Epilobium lanceolatum) (links). Von ähnlichen Arten unterscheidet es sich durch die vier getrennten Griffeläste und die schmalen, deutlich gestielten Blätter. Eigentlich ist es eine Verbandskennart. Da aber - abgesehen vom äußersten Südwesten des Rheinlands - keine anderen Gesellschaften vorkommen, kann es de facto als Assoziationscharakterart behandelt werden.
Ein bezeichnender Begleiter ist das Klebrige Greiskraut (Senecio viscosus). Seinen Namen verdankt es zahlreichen Drüsen, wegen der sich die Pflanze klebrig anfühlt. Das Klebrige Greiskraut kommt auch oft auf ruderalen Schuttflächen wie Baustellen, Bahnsteigschotter udgl. vor; auf natürlichen Schuttfluren kennzeichnet es aber den Verband Galeopsion.
Als schwache Ordnungscharakterart gilt das seltene Gestreifte Leinkraut (Linaria repens). Die Blüten sind wie beim verwandten Löwenmäulchen durch eine Aufwölbung der Unterlippe "maskiert".
Im Rurtal findet man immer wieder das Mutterkraut (Tanacetum parthenium) auf Schieferschutt bzw. in den Felsen. Die alte Heilpflanze ist wohl aus Bauerngärten verwildert. Aufgrund ihrer Standortansprüche ist die Gesellschaft im Rheinischen Schiefergebirge weit verbreitet. Oft sind die Vorkommen sehr kleinflächig, z.B. an felsigen Wegböschungen. An größeren Felsen, die immer wieder frischen Schutt nachliefern, kann sich die Hohlzahn-Flur dauerhaft halten. Auf ruhendem Schutt wird die Gesellschaft bald von Ginster- und Brombeergestrüpp überwachsen.
Nur an der Obermosel und der Saar strahlt von Frankreich her das Anarrhinetum bellidifolii nach Deutschland ein. Hier treten Hohlzahn und Lanzettblättriges Weidenröschen zugunsten des Lochschlunds (Anarrhinum bellidifolium), einem Verwandten des Löwenmäulchens, zurück.
Der Schild-Ampfer (Rumex scutatus) hat seinenVerbreitungsschwerpunkt in den Alpen, wo er Geröllhalden aus unterschiedlichen Gesteinen besiedelt. Im Rheinland kommt er hauptsächlich im Weinbauklima vor, also an Rhein, Mosel und Nebenflüssen. Es erscheint auf den ersten Blick paradox, dass sich eine alpine Art ausgerechnet in klimabegünstigten Lagen durchsetzen kann. Entscheidend ist das kontinentale Mikroklima der Standorte; der Schild-Ampfer verträgt die hohe Einstrahlung und die starke Erwärmung des Gesteins besser als die subatlantische Hohlzahn-Flur.
In den Alpen gilt Rumex scutatus als Klassencharakterart. Vorkommen in den Mittelgebirgen werden als eigene Gesellschaft, das Rumicetum scutati, gewertet (Abb. unten).
Früher wurde der Schild-Ampfer als Salat und Blattgemüse ("französischer Spinat") angebaut und galt als Heilpflanze ("Herba Acetosa Romana"). So sind z.B. Vorkommen an Burgruinen weit abseits des natürlichen Areals zu erklären.
Schild-Ampfer-Flur (Rumicetum scutati) an der Mosel bei Winningen. Die typische blaugrüne Farbe macht die Gesellschaft oft schon aus großer Entfernung erkennbar.
In den Alpen ist der Krause Rollfarn (Cryptogramma crispa) Charakterart einer eigenen Silikat-Schuttflur (Cryptogrammetum). In der Eiszeit war die Art offensichtlich auch in den eisfrei gebliebenen Mittelgebirgen verbeitet. Mit dem Rückgang des Eises wanderte sie zurück in die Alpen, konnte sich aber an den Orten, wo sie die Eiszeit überdauert hatte, nur sehr vereinzelt halten.
Das einzige Vorkommen im Rheinland befindet sich an einem Schieferfelsen bei Monschau. Es handelt sich um einen kleinen Reinbestand in den Spalten des Felsens. Es macht deshalb keinen Sinn, dieses Vorkommen dem alpinen Cryptogrammetum zuzuordnen.