Allgemeines
 
 

Violetum calaminariae
Galmeirasen im zeitigen Frühjahr. Zwischen den Polstern des Galmei-Schwingels (Festuca aquisgranensis) zeigen sich die ersten Blüten des Galmei-Täschelkrauts (Noccaea caerulescens ssp.calaminaria) und des Galmei-Veilchens (Viola calaminaria). (Schlangenberg bei Aachen-Breinig).
Am Nordrand der Deutschen Mittelgebirgsschwelle sind an vielen Stellen erzhaltige Gesteine in Oberflächennähe gelangt. Eisenerzvorkommen waren die Grundlage für die zahlreichen Hütten, Eisenhämmer und Schmieden in der Eifel, im Siegerland oder im Sauerland. Weniger häufig waren Vorkommen von Schwermetallerzen. Besonders selten sind Stellen, wo diese Erze so nahe an der Oberfläche liegen, dass sie die darüber wachsende Vegetation bestimmen. 

Eine solche Stelle ist der Schlangenberg bei Aachen-Breinig. Hier ist der Boden durch Zink- und Bleiverbindungen so stark vergiftet, dass sich hier nur wenige spezielle Pflanzenarten halten können. Zum geringeren Teil handelt es sich bei den Erzen um Sulfide (Verbindungen mit Schwefel), zum größeren Teil um Carbonatverbindungen, vor allem um das Zinkcarbonat "Galmei", das der Vegetation den Namen gegeben hat. 

Die Galmei-Vegetation ist ein Relikt aus der letzten Eiszeit, das überleben konnte, weil keine anderen Arten, besonders keine Bäume, auf Schwermetallböden existieren können. Eingekeilt zwischen den von Norden und von den Alpen herkommenden Gletschern, wuchs in dem dazwischenliegenden, eisfreien Bereich von Deutschland eine tundrenartige Vegetation, von der uns der Galmeirasen eine letzte Vorstellung vermittelt. Nach der Eiszeit wurden alle normalen Böden wieder von Wald besiedelt; nur an wenigen Sonderstandorten konnte sich die eiszeitliche Vegetation erhalten. Wenn sie sich nicht auf solchen Sonderstandorten halten konnten, sind die meisten dieser Arten den Gletschern nach Norden oder in Richtung Alpen nachgefolgt. Deshalb findet man heute die nächsten Verwandten der Galmei-Pflanzen in Skandinavien respektive in den Alpen oder anderen mitteleuropäischen Gebirgen.

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Charakterarten
 
 
Wahrzeichen der Galmeirasen ist das Galmei-Veilchen (Viola calaminaria), ein naher Verwandter des Gelben Stiefmütterchens der Vogesen und des Sudeten-Stiefmütterchens. Es kommt ausschließlich in den Galmeirasen des Aachener Dreiländerecks vor.  Viola lutea ssp. calaminaria

 
Armeria maritima ssp. halleri (?)

Nicht minder auffällig sind die roten Köpfe der Galmei-Grasnelke (oben). Die systematische Einordnung der Aachener Pflanzen ist umstritten, mal wurden sie als Armeria maritima ssp. elongata, mal als A. m. ssp. halleri bezeichnet. Wahrscheinlich handelt es sich um eine eigenständige Sippe. Eine gültige Beschreibung, etwa als A. m. ssp. "calaminaria" ist aber bisher nicht erfolgt. Die Grasnelke ist übrigens keine Nelke sondern ein Bleiwurzgewächs (Fam. Plumbaginaceae). Wie der Name schon andeutet, gehören zu dieser Familie noch weitere schwermetall- und salztolerante Arten.

 
Ein echtes Nelkengewächs ist die Harzer Frühlingsmiere (Minuartia verna ssp. hercynica). Die konkurrenzschwache, lichtliebende Art bevorzugt steinige, offene Böden. Sie vertritt in den Mittelgebirgen die Typusform M. v. ssp. verna, die in den Alpen vorkommt.

Minuartia verna ssp. hercynica

Thlaspi calaminare 

Das Galmei-Täschelkraut (Noccaea caerulescens ssp. calaminare) ist (abgesehen von einem isolierten Fundort bei Osnabrück) ebenfalls ein rheinischer Endemit. Es ist nicht ganz so streng an Galmeirasen gebunden. Man findet es auch auf den Trassen alter Lorenbahnen oder sonstwie im Bereich ehemaliger Erzstollen (z.B. im Ahrtal). 

Weitere Charakterarten sind der Aachener Galmei-Schwingel (Festuca aquisgranensis) und das Zierliche Taubenkropf-Leimkraut (Silene vulgaris ssp. humilis). Ob letztere wirklich eine eigenständige Ökorasse und nicht nur als Standortmodifikation zu werten ist, erscheint mir zweifelhaft. Viele Begleitarten der Galmeivegetation wachsen auch in Kümmerformen.
 
 
Obwohl es sich um Carbonatgestein handelt, kommen unter den typischen Begleitern kaum kalkliebende Pflanzen vor. Stattdessen findet man einige Arten, die saure Böden bevorzugen und sonst eher in Heiden oder Borstgrasrasen vorkommen. Als Beispiel ist rechts das Gemeine Kreuzblümchen (Polygala vulgaris ssp. vulgaris) abgebildet. 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Polygala vulgaris ssp. vulgaris

 

Vorkommen
 

Das Violetum calaminariae kam ursprünglich nur auf dem Schlangenberg südöstlich von Aachen vor. Hier ist die einzige Stelle, wo die Schwermetallerze soweit an der Oberfläche liegen, dass der Boden schon immer für Bäume zu giftig war. Hier konnten sich deshalb einige Pflanzen halten, die schon in der Eiszeit hier wuchsen. Schon im Mittelalter wurde das Erz hier oberflächlich abgebaut. Die zahlreichen ehemaligen Schürfgruben bestimmen noch heute das Bild des Geländes. Als man begann, das Erz in Bergwerken zu fördern, entstanden erzhaltige Abraumhalden, auf die sich der Galmeirasen ausbreiten konnte. Die heutigen Vorkommen liegen zwischen Lüttich und Stolberg; ein kleines Vorkommen gibt es auch im niederländischen Grenzgebiet.
 

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Ähnliche Gesellschaften
 
 
Schwermetallrasen im Siegerland und in Ostwestfalen sind durch Hallers Grasnelke (Armeria maritima ssp. halleri) (unten) charakterisiert, die außerdem auch bei Mechernich in der Eifel vorkommt. Die entsprechende Gesellschaft, das Armerietum halleri, ist nicht nur durch die spezifische Grasnelkensippe sondern auch durch das Fehlen des Galmei-Veilchens und des Galmei-Täschelkrauts gekennzeichnet. In den rechtsrheinischen Schwermetallrasen kommt als typischer Begleiter noch Hallers Schaumkresse (Cardaminopsis halleri) dazu. 

Armeria maritima ssp. halleri

Viola guestphalica

Das westfälische Galmei-Veilchen (Viola guestphalica) wurde früher nur als Spielart des rheinischen Galmei-Veilchens angesehen. Inzwischen haben Chromosomenzählungen ergeben, dass die beiden Arten nicht näher miteinander verwandt sind. Das Fehlen von Thlaspi calaminaria und das Vorkommen von Cardaminopsis halleri unterstreichen, dass das Violetum guestphalicae dem Armerietum halleri sehr viel näher steht als dem Violetum calaminariae. Einziger Fundort sind die Bleikuhlen bei Paderborn. 

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Joachim Schmitz,  2.VII.2000
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