Allgemeines
 
 
Mercurialietum annuae
Bingelkraut-Flur in einem Rübenacker.

In Hackfruchtäckern ist der Verband Fumario-Euphorbion das Gegenstück zum Verband Caucalidion auf Getreidefeldern. Allerdings ist der Verband Fumario-Euphorbion nicht so eindeutig an Kalk gebunden wie das Caucalidion. Wichtiger ist die gute Nährstoffversorgung, wodurch  natürlich zu saure Böden auch ausgeschlossen sind.

Die Bingelkraut-Flur bevorzugt sehr nährstoffreiche, oft lehmige Böden mit einem guten Garezustand in wintermilden Lagen, weshalb sie früher besonders in Gegenden mit Lößboden verbreitet war. Durch die zunehmende Düngung in der Intensivlandwirtschaft und die oft exzessive Düngung in Kleingärten hat sich die Gesellschaft noch weiter verbreitet.
 

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Charakterarten
 
 
Mercurialis annua
    Wichtigste und häufigste Charakterart ist das Einjährige Bingelkraut (Mercurialis annua) (links). Die Pflanzen sind übrigens streng eingeschlechtlich, das abgebildete Exemplar ist männlich. Weibliche Pflanzen haben einen - wie das eigentlich für Wolfsmilchgewächse typisch ist - stärker verzweigten Blütenstand.

 
Die zweite, aufgrund ihrer klimatischen Ansprüche aber sehr viel seltenere Charakterart ist die Französische Hundsrauke (Erucastrum gallicum). Die wärmeliebende Art ist ziemlich selten und wird erst am südlichen Mittelrhein und in Rheinhessen etwas häufiger.
Erucastrum gallicum
 
Euphorbia helioscopia
Die häufigste und auch namengebende Verbandscharakterart ist die Sonnwend-Wolfsmilch (Euphorbia helioscopia). Der Name (helioscopia = die zur Sonne zeigende) bezieht sich darauf, dass die Pflanzen ihre Blüten im Tagesgang immer nach der Sonne richtet. Dies kommt allerdings auch bei anderen Arten vor.
 
Fumaria officinalis ssp. off.
Ähnlich häufig ist der Gemeine Erdrauch (Fumaria officinalis). Die äußerst variable Art kann - wie im abgebildeten Beispiel - auch mit der Rhachis oder Fiederstielchen ranken, wodurch man bei einigen Bestimmungsbüchern auf die falsche Fährte gelockt wird. Die einzig sichere Unterscheidung gegen gelegentlich verwilderte, rankende "Exoten" ist, dass die Fiederabschnitte bei den "Exoten" mindestens 2mm breit sind, während dies bei den heimischen Arten 1mm höchstens geringfügig überschreitet.
 
Das Acker-Täschelkraut (Thlaspi arvense) wird volkstümlich auch Hellerkraut genannt, weil die kreisförmigen Früchte in Form und Größe an Münzen erinnern.

Dass die Art hier in einem Getreidefeld gefunden wurde, ist durchaus kein Ausreißer. In der traditionellen Drei-Felder-Wirtschaft traten die Arten der Hackfruchtäcker auch in den damit periodisch abwechselnden Getreidekulturen auf. In der heutigen Intensiv-Landwirtschaft sind die Grenzen zwischen Getreide- und Hackfruchtäckern ohnehin verwischt. Ähnlich wie bei Wiesen und Weiden schrumpft auch die Garnitur der Ackerwildkräuter auf eine kleine Zahl extrem nährstoffliebender,  konkurrenzstarker Arten zusammen.

Thlaspi arvense
 
Aethusa cynapium ssp. c.
Auch die Hundspetersilie (Aethusa cynapium ssp. cynapium) kommt sowohl in Hackfrucht- wie Getreideäckern vor. Früher wurden die Pflanzen auf Getreideäckern als eigene Unterart Aethusa cynapium ssp. agrestis geführt. Heute wird dies nur noch als unbedeutende Standortmodifikation aufgefasst. Ich teile diese Meinung; mir ist es im Gelände nie gelungen, nach den Angaben in der Bestimmungsliteratur eine eindeutige A. c. ssp. agrestis zu identifizieren.

Die Hundspetersilie galt lange als gefährliche Giftpflanze. Nach neueren Angaben soll das auf Verwechslung mit dem Gefleckten Schierling (Conium maculatum) beruhen. Ich würde sicherheitshalber trotzdem von einem Selbstversuch abraten...

 
Die Ordnungscharakterarten sind heutzutage richtige Allerweltsarten. Durch die massive Immission von als Dünger wirkenden Stoffen auf alle Böden kommen sie nicht nur auf landwirtschaftlichen Flächen, in Kleingärten und Zierbeeten vor; man findet sie praktisch auf allen ruderalen Flächen, insbesondere wenn diese häufiger gestört werden.
 
 

Die Vogelmiere (Stellaria media) ist ein typisches Beispiel. Durch Selbstbestäubung ist es ihr möglich, fast das ganze Jahr hindurch zu blühen und Früchte zu bilden. Zwei eng verwandte Arten würden früher oft als Unterarten zur Vogelmiere gestellt; da sie aber nicht einmal die gleiche Zahl an Chromosomen haben, ließ sich dies nicht aufrecht erhalten.
 

Stellaria media
 
Veronica persica Der Persische Ehrenpreis (Veronica persica) ist wahrscheinlich um das Jahr 1800 aus Südwestasien eingeschleppt worden und hat sich seither zu einer der häufigsten Arten der heimischen Flora entwickelt.
 
Die Rote Taubnessel (Lamium pupureum) wird manchmal mit der (viel größeren) Gefleckten Taubnessel (L. maculatum) verwechselt, weil diese in einer ähnlichen Farbe blüht.
Lamium purpureum
 
Sonchus asper + oleraceus
Während die bisher aufgeführten Ordnungscharakterarten ziemlich klein- und damit auch schnellwüchsig sind, werden die Gänsedistelarten deutlich größer und sind deshalb auch nicht ganz so häufig. Oben kommen Gewöhnliche Gänsedistel (Sonchus oleraceus) (links neben dem Zaunpfahl) und Raue Gänsedistel (Sonchus asper) (ganz links und rechts) zusammen an einem Feldrain vor.
 

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Vorkommen
 

Aufgrund der klimatischen Ansprüche ist die Gesellschaft vor allem in niederen Lagen sehr häufig, besonders in den Lößgebieten. Seltener wird sie erst auf unpassenden Böden (z.B. Sand) oder im Mittelgebirge.
 

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Ähnliche Gesellschaften

 

Mindestens so häufig wie die Bingelkraut-Flur findet man Artenkombinationen ohne die Assoziationscharakterarten. Dies kann man als Zentralassoziation des Verbands begreifen und wird als Thlaspio-Fumarietum officinalis bezeichnet.

Ein typisches Beispiel zeigt die nebenstehende Abbildung aus dem sogenannten Dürener Muschelkalk. Die Gegend war mal berühmt für ihre zahlreichen und spektakulären Ackerwildkräuter. Bis auf ein paar subventionierte Ackerrandstreifen ist nicht mehr viel übrig geblieben. Hier ist es ein Rapsfeld, das so dicht bewachsen ist, dass sich Klatsch-Mohn und Hellerkraut nur noch auf den schmalen Streifen zwischen Feld und Weg retten können.

Thlaspio-Fumarietum

 
Veronica polita

Die Hellerkraut-Glanzehrenpreis-Gesellschaft, das Thlaspio-Veronicetum politae, ist das Pendant zur Nadelkerbel-Gesellschaft (Caucalido-Scandicetum) in Getreideäckern. Es bevorzugt also relativ kalkreiche Böden und ist etwas wärmeliebend.  Das bedingt eine große Ähnlichkeit in der Artenzusammensetzung, so dass manche Bearbeiter die Eigenständigkeit des Thlaspio-Veronicetum politae nicht mehr anerkennen. Z.B. gilt der Blasse Erdrauch (Fumaria vaillantii ssp. vaillantii) (unten) als Verbandskennart der Kalk(-Getreide-)äcker (Caucalidion) und gleichzeitig im Thlaspio-Veronicetum als Differentialart der Assoziation. 

Einzige echte Assoziationscharakterart ist der Glänzende Ehrenpreis (Veronica polita) (links), der in den letzten Jahren sehr stark zurückgegangen ist.

Fumaria vaillantii ssp. v.

 

Veronica agrestis

Der Acker-Ehrenpreis (Veronica agrestis) (oben) zeigt nicht mehr so basenreiche Böden an, die auch etwas sandig sein können. Die dadurch begründete Gesellschaft Soncho-Veronicetum agrestis ist wie viele andere Acker-Wildkraut-Gesellschaften ziemlich selten geworden und heute noch am ehesten im Rheinischen Schiefergebirge zu finden.
 

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Joachim Schmitz, 13.VII.2012
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