Schmitzens Botanikseite
Das Morphologische Kabinett Polyandrie
Polyandrie („Vielmännigkeit“) bedeutet, dass eine Blüte eine größere, unbestimmte Anzahl von Staubblättern besitzt. Bei den ältesten Blütenpflanzen waren noch alle Blütenorgane in größerer, nicht genau festgelegter Zahl vorhanden. Diesen ursprünglichen Zustand findet man heute noch bei vielen Hahnenfußgewächsen, z.B. dem links abgebildeten Busch-Windröschen (Anemone nemorosa). Die Blüte besitzt zahlreiche grüne Frucht- und gelbe Staubblätter. Die Zahl der Kronblätter schwankt um 6, erst bei weiter entwickelten Vertretern der Familie stabilisiert sich die Zahl der Kronblätter auf 5 (z.B. Hahnenfuß/Ranunculus) oder 4 (z.B. Waldrebe/Clematis).
Im weiteren Verlauf der Evolution bildete sich eine feste Grundzahl der Blütenorgane heraus. Fünfzählige Blüten haben im typischen Fall 5 Kelchblätter, 5 Kronblätter, 5 oder 10 (2x5) Staubblätter und 5 Fruchtblätter (bzw. einen daraus zusammengewachsenen Fruchtknoten). In einigen Verwandtschaftskreisen ist es später wieder zur Vermehrung der Staubblätter gekommen. Eine Reaktivierung der primären Polyandrie war nicht mehr möglich (das nennt sich in der Evolutionstheorie das DOLLO'sche Prinzip) und so musste ein neuer Weg gefunden werden. Der besteht darin, dass sich die Anlage eines Staubblatts in zahlreiche Anlagen teilt, aus denen jeweils ein komplettes Staubblatt entsteht. Das muss man sich so ähnlich vorstellen, wie sich auch die Anlage eines Laubblatts teilen kann und so ein Fiederblatt entsteht. Ein Beispiel ist das links abgebildete Myrtengewächs Leptospermum scoparium. Dass die zahlreichen Staubblätter aus der Teilung von nur 5 Anlagen entstanden sind, kann man allenfalls ahnen, wenn einem die etwas merkwürdige fünfeckige Geometrie des Staubblattkranzes auffällt. Wenn die Zahl der Staubblätter auf diese Weise nachträglich vermehrt ist, nennt man das Sekundäre Polyandrie.