Schmitzens Botanikseite 

Die Neophyten-Ecke
Ausbreitung
 
 

Spontane Verbreitung

Dass Pflanzen sich ausschließlich aus eigener Kraft ausbreiten, ist eher selten und stößt spätestens an Meeresküsten, Hochgebirgen oder anderen Barrieren auf natürliche Grenzen. Voraussetzung ist in der Regel, dass sich ein Umweltfaktor geändert hat. So konnte ein großer Teil der heimischen Vegetation erst durch die Klimaerwärmung nach der jüngsten Eiszeit einwandern. Heute sorgt der Mensch für Veränderungen, die die möglichen Wuchsorte bestimmter Pflanzen ausweiten. Die Ausbreitung von Salzpflanzen entlang gestreuter Straßen ist ein Beispiel hierfür. Ob die aktuelle Klimaerwärmung natürlich oder vom Menschen zumindest mitbeeinflusst ist, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls sind aktuell Ausbreitungen wärmeliebender Arten zu beobachten.

Sehr viel häufiger ist der Fall, dass eine Art vom Menschen eingeschleppt wird und sich dann aus kleineren Verwilderungen spontan weiter verbreitet. Ein spektakuläres Beispiel ist das Schmalblättrige Greiskraut (Senecio inaequidens), das aus Südwest-Afrika stammt, möglicherweise mit Baumwolle nach Europa kam und um 1970 anfing, u.a. ausgehend von Nordseehäfen in Rotterdam und Bremen zu wandern, und sich seither so rasant verbreitet hat, dass es heute eine Allerweltspflanze ist.

Senecio inaeqidens

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Unbeabsichtigte Einschleppung

Viele Adventivpflanzen hat der Mensch als "blinde Passagiere" mitgebracht. Es wurden nicht nur die berühmten Vogelspinnen mit Bananenkisten nach Europa gebracht, durch den Import von exotischem Obst, Baumwolle und allem sonst, was früher bezeichnenderweise "Kolonialwaren" genannt wurde, sind auch immer wieder Samen oder andere Verbreitungsorgane fremder Pflanzen zu uns gelangt. Dementsprechend waren Häfen, Güterbahnhöfe und die weiterverarbeitende Industrie bevorzugte Fundorte für solche Pflanzen. In den 1920er-Jahren war z.B. eine Baumwollfabrik in Essen-Kettwig unter Botanikern berühmt für die Exoten, die dort aus den abgekippten Resten ausgekämmter Baumwolle heranwuchsen.

Durch verbesserte Saatgutreinigung, aber vor allem durch chemische Unkrautvernichtung spielen diese Einschleppungswege kaum noch eine Rolle. Allerdings kommt es nach wie vor zur Verbreitung von Pflanzen- und (noch mehr) Tierarten mit Schiffen, aber nicht mehr mit der Ladung im Frachtraum sondern z.B. im Ballasttank. Überhaupt ist der ständig wachsende Verkehr heute der wichtigste Faktor für die Einschleppung neuer Arten. Ob eine Art auf einem Güterwagen mitgefahren ist, im Lehm einer dreckigen LKW-Felge gesteckt oder unter der Fußsohle eines Fluggastes geklebt hat - all das ist denkbar, aber im konkreten Einzelfall kaum rekonstruierbar.

Salvia glutinosa
Ein besonders kurioses Beispiel ist das Vorkommen des Klebrigen Salbei (Salvia glutinosa) auf dem Aachener Lousberg. Ab 1816 wurde der Hügel zur Parkanlage umgestaltet. Vermutlich ist der in süddeutschen Wäldern heimische Salbei in der Folgezeit mit Pflanzmaterial -vielleicht in einem Wurzelballen- auf den Lousberg gekommen und hat eine bis heute stabile Population ausgebildet.


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Gezielte Ausbringung

Viele fremde Pflanzen hat der Mensch als Nutz- oder Zierpflanzen mit Absicht eingeführt und sind dann irgendwann bei passender Gelegenheit verwildert. Bei reinen Nutzpflanzen kommt dies seltener vor. Heutige Getreide-, Kartoffel- oder Rübensorten sind so hochgezüchtet, dass sie kaum gegen Wildpflanzen konkurrenzfähig sind. Viel häufiger verwildern allerdings Zierpflanzen; das spektakulärste Beispiel ist der Riesen-Bärenklau oder Herkuleskraut (Heracleum mantegazzianum). Besonders aus der Familie der Korbblüter sind viele Zierarten längst eingebürgert, z.B. aus den Gattungen Aster (Aster), Goldrute (Solidago), Berufkraut/Feinstrahlaster (Erigeron) und Kugeldistel (Echinops).

Acorus calamus

Bei Nutzpflanzen muss es sich nicht immer um Obst-, Gemüse- oder sonstwie zum Essen gedachte Pflanzen handeln. Das können auch Faserpflanzen, Färbepflanzen, Pflanzen zur Gründüngung, Bienenweiden oder Medizinalpflanzen sein. Ein Beispiel für Letzteres ist der oben abgebildete Kalmus (Acorus calamus), der schon im 16. Jahrhundert aus Indien nach Europa gebracht und als Heilpflanze angebaut wurde. Heute ist die Art im Röhricht stehender Gewässer eingebürgert. Bezeichnenderweise kommt die Art in Deutschland nur selten zur Blüte (der grüne Kolben ziemlich weit rechts in mittlerer Höhe ist der Blütenstand) und keimfähige Früchte wurden bisher nicht beobachtet.

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Joachim Schmitz, 7.X.2005
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