Schmitzens Botanikseite
Rheinische Pflanzengesellschaften
Sumpfkressen-
Straußgras-GesellschaftRorippo-Agrostietum prorepentis Verband: Agropyro-Rumicion
Ordnung: Agrostietalia stoloniferae
Klasse: Agrostietea stoloniferae
- Allgemeines
- Charakterarten
- Vorkommen
- Ähnliche Gesellschaften
Flutrasen, wie die Gesellschaften der Klasse Agrostietea auch genannt werden, sind Pioniere auf schlecht durchlüfteten, relativ nährstoffreichen Böden, die gelegentlich überschwemmt werden. Ursprünglich waren solche Bedingungen im Hochwasserbereich an Gewässern mit schwankendem Wasserstand gegeben. Der Mensch hat aber zahlreiche Sekundärstandorte wie durch landwirtschaftliche Maschinen verdichtete Böden, Fahrspuren, Baumscheiben usw. geschaffen.
Auch das Rorippo-Agrostietum kam primär an Flussufern vor, hat sich aber auf zahlreichen Sekundärstandorten ansiedeln konnen und ist der häufigste Flutrasen im Rheinland. Bezeichnenderweise sind die Vorkommen an größeren Flüssen, z.B. am Rhein, viel artenreicher als solche auf Sekundärstandorten.
Die Bezeichnung Rorippo-Agrostietum prorepentis bezieht sich auf eine früher als Unterart gewertete, weithin kriechende Form des Straußgrases (Agrostis stolonifera). In der Standardliste der Gefäßpflanzen Deutschlands wird die Form als taxonomisch irrelevante Varietät eingestuft. Deshalb findet man in der Literatur auch den Namen Rorippo-Agrostietum stoloniferae.
Einzige Assoziationscharakterart ist die Wilde Sumpfkresse (Rorippa sylvestris). Die Art hat sich stark im menschlichen Siedlungsbereich ausgebreitet und kommt hier noch auf kleinsten Flächen wie Baumscheiben, Wasserrinnen u.ä. vor. Die Artengarnitur ist an solchen Stellen natürlich stark verarmt oder ganz auf einen Reinbestand der Wilden Sumpfkresse zusammengeschrumpft.
Als Assoziationsdifferentialart gilt das Gewöhnliche Barbarakraut (Barbarea vulgaris). Die Art ist in drei Unterarten gegliedert, von denen die ssp. arcuata typisch für Flussufer sein soll. Bei Stichproben habe ich bisher immer nur die Typusform (ssp. vulgaris) identifizieren können. Da es bei uns nur einen einzigen Verband gibt, fallen Verbands-, Ordnungs- und Klassencharakterarten zusammen. Dazu gehört z.B. der Kriechende Hahnenfuß (Ranunculus repens) (unten). Die Art dringt auch in zahlreiche Gesellschaften anderer Klassen ein und zeigt hier stets nährstoffreiche, frische bis wechselfeuchte, schlecht durchlüftete Böden an. Häufig sind die Böden durch Tritt oder Befahren verdichtet.
Die Raue Segge (Carex hirta) ist zwar nicht so kommun wie der Kriechende Hahnenfuß, gehört aber auch zu den häufigeren Charakterarten.
Sehr viel seltener ist der Erdbeer-Klee (Trifolium fragiferum). Zur Fruchtzeit ist der Kelch zu einer rosafarbenen Kugel aufgeblasen, so dass das ganze Köpfchen mit etwas Fantasie an eine Erdbeere erinnert.
Unten links: Das Eisenkraut (Verbena officinalis) ist der einzige Vertreter seiner Familie in Deutschland. Dazu gehört z.B. auch das als Zierpflanze kultivierte Wandelröschen.
Oben rechts: Der Ufer-Alant (Inula britannica) ist eine der auffälligsten Flutrasen-Arten. Er kommt im Rheinland aber nur am Rhein und seinen größeren Nebenflüssen vor.Das ähnliche Große Flohkraut (Pulicaria dysenterica) kommt auch abseits der großen Flüsse vor. Neben den kleineren Köpfchen ist die Art durch deutlich behaarte Hüllblätter am Köpfchen gekennzeichnet.
Das Rorippo-Agrostietum ist verbreitet und häufig. Wo das Ufer nicht vermauert oder betoniert ist, kommt es am Rhein im ganzen Lauf in der entsprechenden Uferzone vor. Ausprägungen mit reduziertem Artenspektrum finden sich überall als Kulturfolger des Menschen.
In der heutigen Kulturlandschaft sind nährstoffreiche und durch Bodenverdichtung luftarme und wasserstauende Böden sehr häufig, so dass es oft zur Anreicherung relativ unspezifischer Arten wie Gemeinem Rispengras (Poa trivialis), Stumpfblättrigem Ampfer (Rumex obtusifolius) oder Kriechendem Hahnenfuß (Ranunculus repens) kommt. Mangels qualifizierter Kennarten lassen sich diese Artenkombinationen keiner Assoziation zuordnen, so dass sie als ranglose Gesellschaften geführt werden (z.B. Poa trivialis-Rumex obtusifolius-Ges.). Aber auch die engeren Charakterarten der Flutrasen greifen oft auch auf andere Gesellschaften über.
So ist die Platthalm-Binse (Juncus compressus) (links) eigentlich eine Art offener Tonböden weitab der großen Flüsse. Bezeichnende Begleiter sind Arten gestörter Kalkflachmoore wie das Flache Quellried (Blysmus compressus) und Arten der Zwergbinsenrasen (Kl. Nanojuncetea). Diese Gesellschaft wird als Juncetum compressi bezeichnet. Am Rhein findet man Juncus compressus allerdings massenhaft in den Steinpackungen der Uferverbauungen, besonders auf den quer zum Fluss aufgeschütteten Buhnen. Trotzdem muss die Art hier als Begleiter des Rorippo-Agrostietum gewertet werden, da hier keine der weiteren typischen Arten des Juncetum compressi vorkommen.
Ob es im Rheinland ein echtes Juncetum compressi gibt, entzieht sich meiner Kenntnis.Die Österreichische Sumpfkresse (Rorippa austriaca) ist erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Südosten eingewandert. Dementsprechend bevorzugt die Art im Rheinland warme Tieflagen. Die durch sie gekennzeichnete Gesellschaft heißt Agropyro-Rorippetum austriacae.
Der Rohr-Schwingel (Festuca arundinacea) begründet ebenfalls eine eigene Gesellschaft, das Potentillo-Festucetum arundinaceae. Ursprünglich kam die Gesellschaft im Kontakt mit der Weichholzaue an großen Flüssen vor. Da der Rohr-Schwingel mehr Austrocknung verträgt als andere Agrostietea-Arten, dringt er auch in Wiesengesellschaften ein, links z.B. ins Arrhenatheretum (Glatthaferwiese) am Rheinufer bei Duisburg. Oben: Die Gesellschaft des Knick-Fuchsschwanzgrases (Alopecurus geniculatus), das Ranunculo-Alopecuretum geniculati, war das nördlich-mitteleuropäische Gegenstück zum eher süddeutschen Rorippo-Agrostietum. Ob durch die allgemeine Klimaerwärmung oder andere Faktoren bedingt, heute findet man die Gesellschaft im Rheinland fast nur noch an Sekundärstandorten. Der niederliegende Wuchs macht die Art trittfest. Deshalb findet man sie oft auf Feldwegen und feuchten Senken in Viehweiden.
Etwas quellige, stark betretene oder beweidete Lehm- oder Tonböden bevorzugt die Blaugrüne Binse (Juncus inflexus). Bezeichnenderweise stammt das rechts abgebildete Foto von einem ehemaligen Truppenübungsplatz. Die Gesellschaft heißt Mentho longifoliae-Juncetum inflexii. Die zweite Charakterart, die Langblättrige Minze, ist allerdings eine extrem seltene Stromtalpflanze und kommt deshalb in den meisten Beständen des Mentho-Juncetum inflexi gar nicht vor.