Schmitzens Botanikseite
Rheinische Pflanzengesellschaften
Bunte Torfmoos-GesellschaftSphagnetum magellanici (i.w.S.) Verband: Sphagnion magellanici
Ordnung: Sphagnetalia magellanici
Klasse: Oxycocco-Sphagnetea
- Allgemeines
- Charakterarten
- Vorkommen
- Ähnliche Gesellschaften
Hochmoor im Hohen Venn (Clefay). Das Moor ist im Sommer von den weißen Fruchtschöpfen des Scheidigen Wollgrases (Eriophorum vaginatum) geprägt. Es zeigt hier die typische Gliederung in Bulte (hochgewachsene Polster) und Schlenken (nasse Senken zwischen den Bulten). Das hellgrüne Pfeifengras (Molinia caerulaea) im Vordergrund ist ein Störungszeiger, hier durch einen angrenzenden Wanderweg bedingt. Hochmoore sind torfbildene Vegetationen, die nur vom Regenwasser gespeist werden. Sie kommen deshalb nur auf wasserstauenden, z.B. tonigen Böden in regenreichen Lagen vor. Da das Regenwasser (heute nicht mehr immer) extrem arm an Nährstoffen ist, können hier nur wenige stark spezialisierte Arten überleben. Wegen der Nässe und des sehr sauren Milieus sind typische Hochmoore von Natur aus baumfrei.
Im typischen Fall wachsen sie nicht gleichmäßig in die Höhe sondern in sogenannten Bulten, erhöhten und dadurch etwas trockeneren Polstern; die nassen Zwischenbereiche nennt man Schlenken.
Wichtigste Torfbildner sind verschiedene Arten des Torfmooses (Sphagnum). Diese Moose könen extrem austrocknen und sehen dann weiß aus. Sie können aber auch enorm viel Wasser speichern. In diesem Zustand sehen sie grün, manche Arten auch rot oder braun aus. Darauf bezieht sich der Name Bunte Torfmoos-Gesellschaft. Torfmoose wachsen zeitlebens an der Spitze weiter, während die unteren Pflanzenteile absterben und allmählich vertorfen. Die Pflanzen wachsen also auf ihren eigenen Resten hoch.
Die eigentliche Moorvegetation ist also eine Moosgesellschaft, der wenige Höhere Pflanzen beigesellt sind. Nach den dominierenden Moosen wurde das Sphagnetum magellanici im engeren Sinne z.B. von einem Sphagnetum papillosi oder dem Sphagnetum imbricati unterschieden. Da sich diese Gesellschaften aber kaum in der Garnitur der Gefäßpflanzen unterscheiden, werden diese auch in einem weiter gefassten Sphagnetum magellanici (bzw. Erico-Sphagnetum magellanici) vereinigt. Die Ausführungen auf dieser Seite beziehen sich auf das Sphagnetum magellanici in diesem weiteren Sinn.
Wiegesagt sind Moose wie Sphagnum magellanicum, Sphagnum papillosum u.a. die eigentlichen Charakterarten des Hochmoors. Die Gefäßpflanzen müssen sich an die speziellen, von den Torfmoosen geschaffenen Bedingungen, insbesondere die extreme Nährstoffarmut, anpassen. Bereits oben ist das Scheidige Wollgras (Eriophorum vaginatum) abgebildet.
Zwergsträucher aus der Familie der Erikagewächse besitzen eine Mykorrhiza, d.h. sie leben in Symbiose mit Bodenpilzen, mit deren Hilfe sie die wenigen Nährstoffe besser aufschließen können. Zu dieser Familie gehören die Rosmarinheide (Andromeda polifolia) (oben) und die Moosbeere (Vaccinium oxycoccos ssp. ox.) (unten).
Der bekannte Rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia) gleicht den Nährstoffmangel durch den Fang kleiner Insekten aus. Dazu sind die Blätter mit kleinen Tentakeln besetzt, die sowohl den "Fangleim" wie die Verdauungsenzyme abgeben. Die intensive rote Färbung auf dem Bild ist eine Standortmodifikation, die durch intensive Sonneneinstrahlung hervorgerufen wird.
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Wie viele heimische Orchideen besitzt das Torfmoos-Knabenkraut (Dactylorhiza sphagnicola) eine Mykorrhiza, lebt also mit einem Bodenpilz zusammen.
Während die meisten Dactylorhiza-Arten ziemlich variabel sind und dazu auch noch Mischpopulationen bilden können, die schwierig einzuordnen sind, ist das Torfmoos-Knabenkraut durch seine Bindung an das Hochmoor ökologisch sehr isoliert. Wahrscheinlich ist dies der Grund, warum es nur wenig abändert und relativ leicht zu erkennen ist.
Übrigens ist die Art erst in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts erstmals aus der Wahner Heide bei Köln beschrieben worden und um 1980 von mir selbst erstmals im Hohen Venn identifizert worden.
In der oben definierten weiten Auslegung des Sphagnetum magellanici ist dies die einzige echte Hochmoor-Gesellschaft Mitteleuropas und kam an allen geeigneten Standorten vor. Z.B. waren weite Teile Nordwestdeutschlands davon bedeckt. Durch Entwässerung und Torfabbau sind viele Bestände vernichtet worden. Noch heute basieren die meisten handelsüblichen Zierpflanzenerden auf Hochmoortorf, was man nur als ökologische Katastrophe bezeichnen kann. Gerade die Firmen, die sich gerne mit einem "grünen" Image schmücken, sorgen dafür, dass dieses wertvolle und empfindliche Biotop immer weiter zurückgedrängt wird. Dabei gibt es längst torffreie Substrate, z.B. aus Ton-Granulat oder auf der Basis von Kokosfasern, die genausogut verwendbar sind.
Im Rheinland gibt es heute die größten Bestände noch im Hohen Venn, wobei die meisten Flächen auf belgischer Seite liegen (was in Preußen noch zur Rheinprovinz gehörte). Auch im übrigen Rheinischen Schiefergebirge sind sehr verstreut einzelne Reste überblieben. Weitere, meistens kleinflächige Bestände kommen am Niederrhein in den Heidemooren auf der alten Rheinterrasse vor.
Am Rand der Hochmoore oder auf den trockeneren Bulten geht die Hochmoorvegetation in eine Heidegesellschaft über, die besonders durch die Glockenheide (Erica tetralix) (oben) charakterisiert ist. Die Gesellschaft wird als Ericetum tetralicis bezeichnet. Besser als durch die Glockenheide, die in Westeuropa auch in die eigentlichen Hochmoorgesellschaften ausgreift, wird sie durch die Deutsche Rasenbinse (Trichophorum cespitosum ssp. germanicum) (rechts) gekennzeichnet).
Vorkommen mit dem Beinbrech (Narthecium ossifragum) (s.o.), der besonders nasse Stellen kennzeichnet, werden in der jüngsten Ausgabe der Exkursionsflora (OBERDORFER 2001) wieder als eigenständige Gesellschaft unter dem Namen Narthecietum ossifragi herausgestellt.
Im Hohen Venn sind viele ehemalige Hochmoorflächen durch das Pfeifengras (Molinia caerulea) beherrscht. Die Ursache für die Ausbreitung des Pfeifengrases wird bis heute diskutiert. Als Ursachen werden die Nutzung der Moore als Streuwiesen, die Entwässerung, die Aufdüngung durch Luftimmissionen und größere Moorbrände genannt. Unten ist ein Beispiel für eine solches Pfeifengras-Stadium abgebildet.
In Süddeutschland ist der Lungen-Enzian (Gentiana pneumonanthe) eine Kennart der Pfeifengras-Wiesen, die dort den magersten Flügel der Wirtschaftswiesen ausmachen. Die Pfeifengraswiesen der westdeutschen Moorgebiete lassen sich kaum mit den süddeutschen Pfeifengraswiesen parallelisieren. Trotzdem findet man auch hier den Lungen-Enzian meist in Begleitung des Pfeifengrases.