Schmitzens Botanikseite
Rheinische Pflanzengesellschaften
Nadelkerbel-Ackerwildkraut-GesellschaftCaucalido - Scandicetum Verband: Caucalidion lappulae
Ordnung: Secalietalia
Klasse: Secalietea
(Stellarietea mediae)- Allgemeines
- Charakterarten
- Vorkommen
- Ähnliche Gesellschaften
Gerstenfeld mit Rittersporn. Die Gerste wird heute viel dichter als früher gesät. Dies ist u.a. möglich, weil die modernen Getreidesorten viel kürzer sind (Alte Gerstensorten konnten mannshoch werden) und zusätzlich durch chemische Wuchshemmer kurz gehalten werden.
Vor ungefähr 10.000 Jahren begannen die Menschen in Kleinasien und im östlichen Mittelmeerrraum mit dem Anbau von Getreide. Von hier aus breitete sich der Ackerbau mehr und mehr nach Norden aus. Deshalb stammen nicht nur die Stammformen der Kulturgetreide aus dieser Region. Auch ihre Begleitflora wurde unbeabsichtigt aus diesem Gebiet exportiert. Diese wärmeliebenden Arten kommen in Mitteleuropa vor allem auf Kalkboden vor, weil der wasserdurchlässige Kalkstein sich schneller erwärmt als feuchtere Bodentypen. Ackerwildkrautgesellschaften auf Kalk werden im Verband Caucalidion zusammengefasst. Unter diesen ist das Caucalido-Scandicetum (= Caucalido-Adonidetum) die (früher) häufigste und spektakulärste. Die meisten Arten sind relativ frühblühende Winterannuelle, so dass die Gesellschaft im Wintergetreide am besten ausgeprägt ist.
Heute gehören Ackerwildkräuter zu den großen Verlierern der Industrialisierung und Chemisierung der Landwirtschaft. Dabei spielt nicht nur die direkte Bekämpfung durch Herbizide eine Rolle. Verbesserte Reinigung des Saatguts und die heute übliche viel dichtere Aussaat des Getreides tun ein Übriges.
Eine weitere Folge diese Verarmung ist, dass es nach heutiger Auffassung nicht mehr sinnvoll ist, die Begleitfloren von Getreidefeldern und Hackkulturen in zwei Klassen aufzuteilen. Sie werden heute in einer einzigen Klasse Stellarietea mediae vereinigt. Näheres hierzu ist bei der Besprechung der Kompasslattich-Flur ausgeführt.
Während das Brennende Adonisröschen (Adonis flammea) schon immer sehr selten war, war das links abgebildete Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis) die häufigste Charakterart dieser Gesellschaft. Inzwischen ist auch dieses auffällige Hahnenfussgewächs sehr selten geworden. Das Foto entstand 1978 in der Gegend von Thuir im sogenannten Dürener Muschelkalk. Schon seit längerem habe ich die Art dort nicht mehr wiederfinden können.
Entsprechend der ostmediterranen Herkunft des Ackerbaus gehören auch mehrere Doldenblütler zu den Charakterarten. Zwei Beispiele sind unten abgebildet.
links: Nadelkerbel
(Scandix pecten-veneris)
rechts: Möhren-Haftdolde
(Caucalis platycarpos ssp. pl.)
Während die strengen Charakterarten auch früher eher zerstreut vorkamen, so dass im selben Acker kaum mehr als zwei von ihnen anzutreffen waren, kommen die Verbandscharakterarten mit großer Regelmäßigkeit vor.
Z.B. kann man mit etwas Glück auch heute noch den Acker-Rittersporn (Consolida regalis) (rechts) finden.
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Weitere Verbandscharakterarten sind die beiden Frauenspiegelarten, links der Große Frauenspiegel (Legousia speculum-veneris), übrigens ein Glockenblumengewächs. Ebenfalls hier zu nennen ist der Blaue Gauchheil (Anagallis foemina) (unten), nicht zu verwechseln mit dem sehr viel häufigeren Acker-Gauchheil (A. arvensis), der zwar meistens rot blüht, aber auch in einer blaublütigen Varietät vorkommt, die nur am Drüsenbesatz der Blütenblätter vom Blauen Gauchheil zu unterscheiden ist.
Die ersten Unkrautbekämpfungsmittel wirkten nur auf Zweikeimblättrige, also z.B. nicht auf Gräser. Schließlich sind auch die Getreidearten Gräser. Dadurch wurden zwar die typischen Ackerwildkräuter dezimiert, aber dafür machten sich nun wilde Grasarten als "Ungräser" breit. Auf Kalkboden ist dies vor allem das Acker-Fuchsschwanzgras (Alopecurus myosuroides). Die meisten heute gebräuchlichen Herbizide wirken so. Modernste Mittel erfassen auch die "Ungräser". Möglicherweise wird dem Kulturgetreide demnächst gentechnisch die Resistenz gegen Totalherbizide eingesetzt. Auf damit behandelten Flächen würden dann alle Pflanzen sterben, die das Resistenzgen nicht besitzen. Noch ist es nicht so weit, aber schon heute sehen Äcker, auf denen früher eine reiche und bunte Wildkrautflora gedieh, so aus wie auf dem linken Foto: Aufgrund der dichten Aussaat und der Behandlung mit Herbiziden sind die eigentlichen Ackerflächen praktisch frei von Wildkräutern. Nur auf dem schmalen Ackerrain können sich einige Wildgräser wie hier das Acker-Fuchsschwanzgras halten.
Die Nadelkerbel-Gesellschaft ist im Rheinland - wie überall in den Kalkgebieten Mitteleuropas - extrem zurückgegangen. Das endgültige Aussterben konnte in Nordrhein-Westfalen durch das Ackerrandstreifen-Programm verhindert werden. Dabei werden Landwirte gegen die Zahlung eines Ausgleichs verpflichtet, mehrere Meter breite Randstreifen ausgewiesener Ackerflächen nicht mit Herbiziden zu behandeln. Erstaunlicherweise tauchten dabei auch verschollen geglaubte Arten auf, deren Samen offensichtlich Jahrzehnte im Boden überdauert hatten. Schöne Bestände gibt es z.B. in den niederen Lagen der Sötenicher Kalkmulde (bei Bad Münstereifel).
Außerhalb dieser speziell bewirtschafteten Randstreifen steht die Gesellschaft vor dem Aussterben. So sind die ehemals reichen Vorkommen des Aachener Schneebergs nicht nur durch die Intensivierung der Landwirtschaft sondern auch durch die Erweiterungsbauten der RWTH in diesem Gebiet und die Anlage des Golfsplatzes nahezu vernichtet worden.
Da die Samen sehr lange im Boden ruhen können, tauchen die Arten manchmal vorübergehend an frischen Erdanrissen, Straßenbaustellen und ähnlichen Orten auf.
Auf feuchteren, lehmigeren Böden wird das Caucalido-Scandicetum durch das Linarietum spuriae (Tännelkraut-Gesellschaft) ersetzt. Kennarten sind die beiden mit dem Löwenmäulchen verwandten, kletternden oder kriechenden Tännelkrautarten Kickxia (=Linaria) spuria und K. elatine.
Kennarten des Linarietum spuriae. Links: Echtes Tännelkraut (Kickxia elatine). Rechts: Unechtes Tännelkraut (Kickxia spuria).
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Nicht so strikt an Kalk gebunden, aber sonst nicht scharf gegen das Caucalido-Scandicetum abgegrenzt, ist die Gesellschaft der Acker-Nachtlichtnelke (Papaveri-Melandrietum noctiflori). Die namengebende Art Silene noctiflora (= Melandrium noctiflorum) hat eine typische Nachtfalterblume. Tagsüber sehen die weißen Blüten unscheinbar und fast verwelkt aus (rechts). Erst spät am Abend entfalten sie sich und fangen dann auch an zu duften.